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Indie Review / Test

Spaziergang mit KGB-Agenten und Geistern – The Beast Inside

Erst Layers of Fear, dann Darkwood und letztes Jahr Agony sowie Lust for Darkness. Während CD Projekt Red und Techland seit vielen Jahren erfolgreich bei den Blockbustern mitmischen, hat die zweite Reihe der polnischen Spieleindustrie jetzt offenbar ihre Nische im Horror-Genre gefunden. Ein Trend, der mir gut gefällt, auch wenn nicht jeder dieser Titel den Erwartungen gerecht wurde. Auch das kürzlich veröffentlichte The Beast Inside von Illusion Ray Studio ist nicht ohne Schwächen, macht aber auch vieles richtig.

Adam arbeitet für die CIA und knackt dort geheime Codes der Sowjets. Sein aktueller Auftrag bereitet ihm großes Kopfzerbrechen und so kommt es ihm ganz gelegen, dass ihm seine Großeltern ihr Haus hinterlassen haben. Es steht recht abgeschieden in einem idyllischen Wäldchen und in der ruhigen Umgebung kann er sich sicher besser auf seine wichtige Arbeit konzentrieren. Außerdem ist seine Frau gerade mit ihrem ersten Kind schwanger und wo könnte man ein Kind schon besser großziehen?

Beim Renovieren findet er die verstörenden Tagebücher eines gewissen Nicolas, der ein Jahrhundert zuvor in genau diesem Haus aufgewachsen ist. Irgendwie sind die Schicksale der beiden miteinander verbunden und so springt das Spiel fortan Kapitel für Kapitel zwischen beiden Figuren hin und her. Wenig später muss Adam feststellen, dass sie dort doch nicht ganz allein sind. Es scheint so als hätte man sie bereits erwartet und so jagt er schon bald einen vermeintlichen KGB-Agenten durch die Wildnis. Nicolas sieht sich hingegen mit Erscheinungen konfrontiert, von denen er eigentlich glaubte, sie im Sanatorium zurückgelassen zu haben. Ein blutrünstige Killer mit Mantel und Zylinder scheint ihm nach dem Leben zu trachten und suchen ihn auch noch Geister heim, oder sind das doch nur seine Wahnvorstellungen?

The Beast Inside spielt sich wie ein typisches Horror-Adventure aus der Ego-Perspektive. Ihr erkundet auf recht lineare Weise Häuser und kleinere Außenareale. Auf eurem Weg sammelt ihr eine handvoll Objekte ein und benutzt sie an den richtigen Stellen, um weiterzukommen. Optional gibt es natürlich unzählige Notizen und Gegenstände zu finden, die euch mehr über die Handlung verraten. Leider ist Adventure ein zu großes Wort für The Beast Inside, denn das Spiel nimmt einen extrem an die Hand und blendet auch noch ständig Anweisungen ein. Obendrein haben die Charaktere den nervigen Drang, fast alles zu kommentieren und euch die Lösung im Grunde schon zu erzählen.

Zwei Beispiele dafür, wie euch das Spiel das Denken abnimmt: Gelegentlich muss man eine höher gelegene Stelle erreichen und die dafür nötige Kiste steht einfach IMMER direkt daneben. Außerdem wurden alle wichtigen Objekte mit einem auffälligen Glanzeffekt versehen, der auch im Dunkeln zu erkennen ist. Echte Rätsel kann man dementsprechend auch an einer Hand abzählen. Die machen zwar durchaus Spaß, sind aber auch etwas zu einfach.

Toll fand ich hingegen, dass man viele Aktionen wirklich aktiv ausführen muss und nicht nur eine einzige Taste drückt. Zum Beispiel zieht man mit der Maus an Brettern, um sie abzureißen. Schubfächer und Schranktüren wollen mit einer entsprechenden Bewegung aufgezogen werden und ein Messer muss hin und her geschoben werden, um ein Seil zu durchtrennen. Mechanisch anspruchslos aber für mich steigert es die Immersion. Ganz ähnlich verhält es sich mit einem experimentellen CIA-Gerät, das Adam ein paar Kapitel lang zur Jagd nach dem Agenten nutzt. Es gibt Richtung sowie Entfernung an und am Ziel angelangt, kann man sichtbar machen, wer sich kürzlich dort aufgehalten hat. Auch diese Mechanik ist super simpel, aber spaßig fand ich sie trotzdem.

Abgesehen von einer kurzen Ego-Shooter-Sequenz gibt es auch keine Kämpfe. Vielmehr könnt ihr die meiste Zeit gefahrlos die Spielwelt erforschen und müsst euch höchstens vor Jump Scares fürchten. Ein Game Over droht nur in den ebenso seltenen wie simplen Schleich-Passagen und einigen Fluchtsequenzen. In letzteren rennt ihr beispielsweise unter Zeitdruck durch einstürzende Höhlen oder flieht vor einem unbesiegbaren Gegner durch die Gänge eines brennenden Hotels. Dabei kommen auch die üblichen Quick-Time-Events zum Einsatz, die aber allesamt nicht besonders schwierig zu meistern sind.

Die große Stärke des Spiels liegt letztlich vor allem in der hervorragenden Optik, die auch der wichtigste Faktor für die gute Atmosphäre ist. Durch Photogrammetrie und stimmungsvolle Beleuchtung sehen sowohl die unheimlichen alten Häuser als auch die herrliche Wildnis drumherum großartig aus. Fast jedes Zimmer ist vollgestopft mit aufwendig modellierten Möbeln und Nippes und die idyllische Natur drumherum ist dicht bewachsen. An vielen Stellen blieb ich auch einfach mal stehen, um die Schönheit der Umgebungen zu genießen. Kurzum: selbst wenn einen weder die Handlung noch das Gameplay reizen, ist es immer noch einen virtuellen Spaziergang wert.

Obwohl es sich die Entwickler vermutlich nicht ganz eingestehen wollen, ist The Beast Inside dem Walking-Simulator deutlich näher als einem echten Adventure. Der Kalte Krieg als Setting und die Observation durch den KGB-Agenten ist aber ganz erfrischend und spannend inszeniert. Der Teil mit Adam wirkt im Kontrast dazu jedoch fast etwas abgedroschen. Grundsätzlich habe ich zwar nichts dagegen, wenn man die Spielmechanik zugunsten der Handlung und Atmosphäre einfach hält, aber in diesem Fall hat man dadurch leider viel Potential verschenkt. Eine nette Gruselgeschichte ist es trotzdem allemal und mit rund 9 Stunden auch noch überraschend umfangreich. Horror-Fans, die sich nicht an seichten Spielmechaniken stören, sollten es zumindest mal anspielen. Am besten mit der kostenlosen Demo, die ihr bei Steam laden könnt.

Plattform: PC, (PS4 & Xbox One sind geplant)
Release: 17. Oktober 2019
Entwickler: Illusion Ray Studio
Publisher: Movie Games, PlayWay
Genre: Horror, Adventure, Walking-Simulator, First-Person
Meine Spielzeit: ca. 9h
Preis: ab 20,99 €
Website | Steam

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