Wer meine Tests zu Hot Tin Roof, The Detail usw. gelesen hat, der dürfte wissen, dass ich eine Schwäche für Spiele im (Film) Noir-Stil habe. Mit Calvino Noir hatten mich Dan Walters und sein Team daher recht schnell am Haken, denn mit ihrem Debüt-Titel erfüllen sie quasi jeden Punkt auf der klassischen Noir-Checkliste. Eine Großstadt in den 30er Jahren als Schauplatz? Check! Ein mürrischer Detektiv mit Geldproblemen? Check! Korrupte Machthaber und zwielichtige Organisationen? Check!
Wilt ist ein englischer Ex-Soldat, der nach dem ersten Weltkrieg in Wien gestrandet ist und sich dort mit Schnüfflerjobs über Wasser hält. Als er in sein runtergekommenes Hotelzimmer zurückkehrt, erhält einen Anruf von einer geheimnisvollen Schönheit, die ihm einen Auftrag anbietet. Die junge Dame hört auf den Namen Siska und will einen korrupten Politiker zu Fall bringen, doch was Wilt noch viel wichtiger ist, sie hat auch das nötige Kleingeld, um ihn zu bezahlen. Also schleicht er sich in das Rathaus, wo schon Siskas Insider auf ihn wartet. Statt ihm jedoch beim Diebstahl der belastenden Dokumente zu helfen, schlägt er Wilt hinterrücks KO und verschwindet mit dem Diebesgut. Nun hat er ordentlich Ärger am Hals und ihm bleibt nichts anderes übrig als sich immer mehr in die geheimen Machenschaften von Politik und Industrie einzumischen.
Calvino Noir ist im Grunde ein klassischer Stealth-Sidescroller. Da die Wurzeln des Spiels jedoch im Mobile-Bereich liegen, fällt es spielerisch deutlich simpler und gemächlicher aus als Genre-Hits wie Mark of the Ninja oder The Swindle. Es hat aber dennoch ein paar interessante Ideen auf Lager, denn auf eurem Weg durch Wien schlüpft ihr nicht nur in den Trenchcoat von Wilt, sondern dürft meist auch noch auf weitere Charaktere zurückgreifen. Ähnlich dem Blizzard Klassiker The Lost Vikings haben diese jeweils eine besondere Fähigkeit und nur wenn ihr die Eigenschaften der Charaktere kombiniert, kommt ihr ans Ziel.
Wilt ist dabei der Mann fürs Grobe und kann als einziger Wachen ausknocken, während Siska durch Schlüssellöcher schauen und Türschlösser knacken kann. Arno, der dritte im Bunde, kümmert sich wiederum um Maschinen aller Art, was jedoch lediglich für eine handvoll Missionsziele nötig ist. In einigen Missionen kommen außerdem noch Nebencharaktere ins Spiel, die zwar über keinerlei nennenswerte Fähigkeiten verfügen, aber irgendwie von euch ans Ziel eskortiert werden müssen. Per Tastendruck könnt ihr jederzeit zwischen den (für die Mission vorgesehenen) Charakteren wechseln und bei Bedarf auch einen Befehl zum Folgen erteilen. Wie es sich für ein Stealth-Spiel gehört, können sich natürlich auch alle hinter Ecken oder in Nischen verstecken, um aus dem Sichtfeld der patrouillierenden Wachen zu verschwinden. Mit Hilfe der Taschenlampe könnt ihr zu guter Letzt auch noch versteckte Münzen finden, die ihr anschließend investiert, um die Laufgeschwindigkeit und das Hörvermögen eurer Helden zu stärken.
Doch so gut die Idee eines Stealth-Spiels mit einem Team auch klingen mag, die Umsetzung ist leider nicht konsequent genug. Die Missionen sind allesamt recht linear aufgebaut und egal ob Rathaus, Fabrik oder Hotel, eure Widersacher sind immer die gleichen. Während ihr in anderen Genre-Vertretern immer wieder auf neue Gefahren trefft und auch mit Sicherheitssystemen konfrontiert werdet, habt ihr hier im Grunde schon im ersten Kapitel alles gesehen, was euch gefährlich werden kann. Durch die einfältige KI der Wachen und die Tatsache, dass ihr sonst auf nichts anderes achten müsst, läuft das Versteckspiel fast immer nach dem gleichen Muster ab. Ihr schaut euch kurz ihre Route an und geht halt oben statt unten lang usw., oder ihr lasst euch bewusst entdecken und erledigt sie dann mit Wilt aus dem Hinterhalt. Und wenn ihr doch mal einer der Wachen zum Opfer fallt, dann lag das nicht selten an der hakeligen Steuerung, die vor allem Spieler ohne Controller ärgern dürfte.
Wem es nur um das eigentliche Stealth-Gameplay geht, der dürfte von Calvino Noir also etwas enttäuscht sein, aber es hat auch gute Seiten. Zum einen fängt es den Stil alter Noir-Streifen recht gut ein. Grafisch ist die Mobile-Herkunft zwar unübersehbar, was nicht zuletzt an dem störenden HUD liegt, aber der dezente Einsatz von Farben in Kombination mit dem dynamischen Spiel von Licht und Schatten passt hervorragend. Zum anderen ist die Geschichte des Trios prinzipiell gut erzählt, was vor allem an den vielen Dialogen und einem hervorragenden Erzähler liegt. Den erhofften Tiefgang findet ihr allerdings auch hier nicht.
Calvino Noir hat seine Momente und wenn man den Noir-Stil mag, kann man sicher über so manches hinwegsehen, aber angesichts der offensichtlichen Mobile-Herkunft und der damit einhergehenden Probleme sowie der kurzen Spielzeit von rund 4 Stunden erscheint der Preis von 18 € auf PC und PS4 einfach überzogen.
Publisher/Entwickler: Calvino Noir Limited | Genre: Stealth / Side-Scroller / Noir
Plattform: PC / PS4 / iOS | Release: August 2015 | Twitter
Preis: ca. 7 € auf Steam oder im PSN / ca. 11 € im Appstore
3 Antworten auf „Versteckspiele im Wien der 30er Jahre: Calvino Noir im Test“
Ich find diesen Stil ja auch total schön. Leider sind die Spiele oft nur lala, schade. 🙁
Das hier hatte ich auch Mal entdeckt, wobei mich aber der doch hohe Preis abgeschreckt hat. Eher ein Vielleicht-Mal-im-Sale Kandidat für mich. Finde den Preis doch etwas gewagt, in Anbetracht des Inhalts.
Mit der kurzen Spielzeit könnte ich ja noch leben, aber es hat einfach noch zu viele andere Makel und daher kann ich es auch definitiv nicht zum Vollpreis empfehlen. Eher mal mit 50 % off, oder mehr.
Ach kurze Spielzeit ist für mich eh kein K.O.-Kriterium. Ich habe drei Kids und bin so froh, wenn ich auch Mal Spiele abschließen kann. Ich brauch nicht nur RPGs mit 100 Stunden Spielzeit. Von so umfangreichen Spielen rühre ich derzeit sogar kaum welche an, weil ich weiß ich komme eh nie durch, solange mein Zwerg noch so jung ist.
Mich stören auch die anderen Dinge, nicht die Spieldauer.