Kategorien
Indie Review / Test

Indie-Review: DEX

Als ich Ende 2013 die Kickstarter-Kampagne von DEX entdeckte, war ich von der Idee eines Metroidvania mit Cyberpunk-Setting absolut begeistert und fragte mich, warum man nicht schon früher auf die Idee gekommen ist. Zum Glück sahen das auch fast 2000 Unterstützer so, die am Ende rund 30.000 GBP zusammentrugen und damit den Zielbetrag mehr als verdoppelten. Im Mai diesen Jahres kam der Titel dann endlich aus dem Early Access und so habe ich mich nun auch endlich mal auf die futuristischen Straßen von Harbor Prime gewagt.

Alles beginnt damit, dass die Protagonistin, genannt DEX, unerwarteten Besuch von schwer bewaffneten Männern bekommt und mit Hilfe der mysteriösen Hacker-Ikone Raycast die Flucht ergreift. Wer ihre Verfolger sind oder warum dieser Raycast ihr hilft, will man ihr nicht verraten, also folgt sie den Anweisungen und schlägt sich bis nach Fixers Hope, einer zwielichtigen Bar für Hacker, durch. Dort trifft sie auf den Besitzer, genannt Decker, der sie schließlich bei einem alten Freund unterbringt. Nun, da die Verfolger abgeschüttelt sind und ihr das erste Mal durchatmen könnt, bringt Raycast endlich etwas Licht ins Dunkel. Offenbar ist Dex irgendwie mit einer ebenso rebellischen wie mächtigen KI verbunden, die von einer Geheimorganisation, bekannt als The Complex, erschaffen wurde und sich nun verselbständigt hat. Mit ihrer Hilfe macht ihr euch also daran, die geheimen Machenschaften der Megakonzerne aufzudecken und ihrem kriminellen Treiben ein Ende zu setzen.

dex dreadlocks screenshot chinese quarter

Doch natürlich könnt ihr nicht einfach losziehen und in eines der gut gesicherten Labors eindringen, sondern müsst euch gut für den Kampf rüsten und vor allem Informationen sammeln. Daher verlasst ihr den Schutz des Geheimverstecks und erkundet zunächst die vielen Bezirke von Harbor Prime. In bester Rollenspiel-Manier trefft ihr dabei auf Charaktere aller Art, die eure Hilfe brauchen und euch dafür Belohnungen versprechen. Da ihr euch in der Stadt relativ frei bewegen könnt, ist euch überlassen, in welcher Reihenfolge ihr diese Aufgaben angeht und neugierige Spieler stoßen gelegentlich sogar in Bereiche vor, die sie eigentlich erst im Zusammenhang mit einem Quest besuchen sollten.

dex dreadlocks screenshot aphrodite

Neben den üblichen Botengängen, finden sich darunter auch einige ausgesprochen ungewöhnliche Aufträge, die vor allem thematisch für Abwechslung sorgen. In einer Bar trefft ihr zum Beispiel einen gefallenen Musikstar, der von einem psychopathischen Fan terrorisiert wird und in einem asiatischen Restaurant bittet euch die Inhaberin, ihren Bruder aus den Fängen einer manipulativen Bordellbesitzerin zu befreien. Die Suche nach einer vermissten Person führt euch wiederum quer durch die Stadt, angefangen beim Apartment der Person bis in eine verfallene Anlage tief unter Harbor Prime. Andere Quests fallen hingegen deutlich martialischer aus und schicken euch in den Kampf gegen diverse Banden und die Handlanger der Konzerne, die überall in der Stadt ihre Verstecke haben.

dex dreadlocks screenshot group fight

Leider sind gerade die Kämpfe auch die größte Schwäche des Spiels, denn sowohl Nahkampf als auch Schusswaffen sind nicht gerade perfekt geraten. Insbesondere der Einsatz von Pistolen und Co. ist einfach sehr unbefriedigend, da ihr beim Schießen stehen bleiben müsst und das Handling via Controller auch noch sehr hakelig ist, so dass man selbst mit prall gefülltem Waffenschrank meist lieber die Fäuste sprechen lässt. Der Nahkampf fällt durch die recht schwache KI und das eingeschränkte Repertoire an Bewegungen (Ausweichen, Blocken und immer wieder die Schlagtaste spammen) zwar leider viel zu simpel aus, aber hier ärgert man sich wenigstens nicht über die Steuerung und gelegentlich stellt sich sogar ein Gefühl der Genugtuung ein, wenn man eine ganze Bande niedergerungen hat.

dex dreadlocks screenshot corpse

Falls möglich, ist es aber sowieso besser, wenn man versucht, die Konfrontation zu vermeiden und sich lautlos seiner Feinde entledigt. Von einem wirklichen Stealth-Spiel ist Dex zwar weit entfernt, aber in vielen Abschnitten ist es durchaus möglich, sich an Gegner anzuschleichen, um sie dann mit einem einzigen Tastendruck auszuschalten. Hier und da könnt ihr dafür auch alternative Wege wählen und zum Beispiel durch Luftschächte in den Rücken der Wachen gelangen. Neben dem offenen Kampf und dem Schleichen gibt es aber noch eine dritte Option, nämlich das Hacken. Dex kann sich jederzeit in den Cyberspace begeben, der hier wie ein Shoot’em Up funktioniert. Dabei fliegt ihr umher und schießt auf die virtuellen Schutzschilde von Kameras, Geschützen oder Soldaten, damit ihr anschließend einen eurer Viren einspielen könnt. Auf diese Weise könnt ihr dann beispielsweise einen Gegner vorab schwächen oder ihn kurzzeitig lähmen, um ihn anschließend mit einem Stealthkill zu erledigen. An anderen Stellen müssen Computersysteme gehackt werden, die dann wie eine Art Arena oder Labyrinth aufgebaut sind, wo virtuelle Abwehrgeschütze, Firewalls, schwarze Löcher und andere Viren auf euch warten. Auch das Hacken lässt leider etwas an Tiefgang vermissen, aber als Auflockerung des Gameplays funktioniert es ganz ordentlich.

dex dreadlocks screenshot cyberspace

Für jeden besiegten Gegner und abgeschlossene Quests gibt es neben materiellen Belohnungen auch noch Erfahrungspunkte, die ihr nicht etwa auf Energie und Stärke verteilt, sondern in eine Art vereinfachten Talentbaum investiert. Dort schaltet ihr dann neue Angriffe frei, verschafft euch mehr Energie oder gleich regenerative Fähigkeiten und erlernt den Umgang mit neuen Waffen. Wenn ihr über das nötige Kleingeld und/oder die entsprechende Technik verfügt, lässt sich Dex auch noch mit zahlreichen Implantaten und Hackersoftware ausstatten, die eurem jeweiligen Spielstil entgegen kommen.

dex dreadlocks screenshot cyberspace 2

Optisch sorgt Dex natürlich nicht unbedingt für Staunen, aber obwohl mir der Stil anfangs nicht ganz so zugesagt hat, muss ich zugeben, dass ich das grafische Design der Spielwelt mit der Zeit durchaus zu schätzen gelernt habe. Sicher, es gibt einige Ecken, die wirken etwas uninspiriert, um nicht zu sagen langweilig, aber dafür gibt es auch immer wieder Abschnitte, die das klassische Look & Feel des Cyberpunk hervorragend einfangen. Im Gegensatz zu den meisten anderen 2D-Games kann man zudem stufenlos zoomen und so einen etwas klassischeren Pixel-Art-Look erhalten.

dex dreadlocks screenshot doctor

Das erhoffte Deus Ex in 2D ist es leider nicht geworden, aber das wäre angesichts des bescheidenen Budgets und der legendären Klasse des Vorbilds wohl auch zu viel verlangt. Vor allem die Atmosphäre und die gelungenen Nebenaufgaben können aber etwas über die verpatzten Chancen hinwegtrösten. Auch die Story ist, trotz des etwas enttäuschenden Finales, durchaus interessant inszeniert worden und somit dürften sich Fans von Cyberpunk und Metroidvanias rund 12 Stunden lang gut unterhalten fühlen, sofern sie mit den teils offensichtlichen Schwächen leben können.

Hier könnt ihr mein Let’s Play dazu sehen oder ihr schaut den eingebetteten Trailer:

Publisher/Entwickler: Dreadlocks | Genre: Metroidvania / Action-RPG / Cyberpunk / 2D
Plattform: PC / PS4 / Xbox One / Wii U / Mac / Linux / Ouya | Release: Mai 2015 | Website | Twitter

Preis: ca. 14 € via Humble Sale (bis 11.08.15) (DRM free + Steam) oder ca. 20 € auf Steam

2 Antworten auf „Indie-Review: DEX“

Hm, Dex hab ich schon ewig auf meiner Liste. Irgendwie weiß ich aber nach wie vor nicht, ob ich es mir nun holen soll oder nicht. Der ganz große Cyberpunk-Fan bin ich ja zugegeben nicht. Daher werde ich wohl auch passen. Obwohl es mich doch irgendwie interessiert. Man hat aber doch sooo viel, daher ist Dex eines dieser Spiele, die ich vermutlich ignorieren werde. Man hat einfach nicht für alles Zeit. Also müssen irgendwo Abstriche gemacht werden. 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert