Über Ubisofts großen GTA-Konkurrenten wurde eigentlich schon mehr als genug geschrieben, aber da ich es halt gerade durchgespielt habe, werde ich auch noch mal kurz meine Meinung zum Besten geben. Gekauft und angefangen hatte ich Watch Dogs schon kurz vor Weihnachten 2014, aber dann wollte ich auf die finale Version der The Worse Mod warten und schließlich habe ich es ganz vergessen.
Vor einigen Wochen grub ich dann meinen alten Spielstand aus und stieg zum Beginn des zweiten Akts wieder ein. Nachdem ich die Texturen von Ultra auf Hoch reduziert hatte lief das Spiel dann auch endlich einwandfrei und so war ich neu motiviert. Leider musste ich dann aber doch wieder schnell feststellen, warum ich das Spiel so schnell vergessen hatte: die Story kommt nicht so richtig in die Gänge und Aiden ist einfach kein guter Hauptcharakter. Der Verlust seiner Nichte ist ja super traurig und so, aber irgendwie kommt das emotional nie wirklich so rüber und am Ende ist es halt einfach nur eine Rachegeschichte, wie man sie schon in hundert anderen Spielen gesehen hat.
Wenn man sich irgendwann nicht mehr so von den Nebenaufgaben aufhalten lässt und sich stattdessen voll auf die Hauptmissionen konzentriert, dann nimmt die Geschichte aber doch noch etwas Fahrt auf und gerade durch die Auftritte von Clara und T-Bone wird es zumindest etwas interessanter. Leider hat Ubisoft hier aber wieder sehr viel Potential verschenkt und aus den beiden nicht viel mehr als Statisten gemacht. Immer wenn man denkt, dass sich jetzt wirklich so etwas wie eine menschliche Beziehung zwischen den Figuren aufbauen könnte, wird man wieder zu irgendeiner Mission gehetzt und alles andere gerät in den Hintergrund.
Auch die Tatsache, dass man selbst keinerlei Einfluss darauf hat, wie Aiden mit den anderen Figuren umgeht, ist für mich eine vertane Chance. Es muss ja nicht unbedingt anspruchsvoll und an ein Karma-System oder dergleichen gekoppelt sein, aber einfach mal wie in einem Adventure oder bei BioWare ein paar Fragen stellen und sich unterhalten. Manch einer mag da vielleicht argumentieren, dass Aiden halt super busy ist mit dieser ganzen Rachegeschichte, aber für tausend verschiedene Nebenmissionen und digitale Trips hat er ja auch Zeit.
Womit wir auch schon bei einem weiteren Kritikpunkt wären: die Nebenmissionen. Das ist ein Thema, das aus meiner Sicht leider fast alle Open-World-Spiele (oder zumindest die, welche ich gespielt habe) nur halbherzig umsetzen. Es ist ja eigentlich schön, dass man keine 100 Meter fahren kann, ohne auf irgendein Icon für dieses oder jenes Event zu stoßen, aber am Ende ist es halt leider nur ziemlich belangloses Füllmaterial, das die Spielzeit erhöhen und einfach nach „mehr“ aussehen soll. Ubisofts virtuelle Version von Chicago ist unfassbar schön anzuschauen und man sieht an jeder Ecke, dass man sehr viel Geld investiert und riesige Teams für die Erschaffung der Umgebungen abgestellt hat, aber Optik ist eben leider nicht alles.
Ich habe unzählige Orte besucht, die wunderschön waren und dann wieder gemerkt, dass es außer dieser schönen Aussicht nichts zu entdecken gibt. Die wenigen interessanten Orte Abseits der Handlung werden einem ja ohnehin durch die Eroberung der ctOS-Türme auf die Nase gebunden, so dass jeder Funken von Forscherdrang und Neugier ziemlich schnell wieder erstickt wird. Die Pseudo-Open-World von The Vanishing of Ethan Carter hatte am Ende zwar eigentlich auch nur schöne Ausblicke zu bieten, aber irgendwie hatte die Welt dennoch einen gewissen Zauber und etwas mysteriöses, das mir jeden Schritt durch die Welt versüßte.
Ubisoft hätte lieber ein paar der Nebenaufgaben streichen und stattdessen den anderen mehr Tiefgang geben sollen. Nehmen wir nur mal die Geschichte mit dem Serienkiller, wo man die Opfer finden muss, um am Ende dem Täter auf die Spur zu kommen. Das klingt auf dem Papier super spannend, aber statt daraus einen spannenden Krimi mit etwas Detektivarbeit zu machen, lässt euch Ubi einfach nur stupide das Icon auf der Karte anklicken, per Navi zum Ziel fahren und dann 30 Sekunden nach der Leiche suchen. Als „Belohnung“ wartet dort dann ein kurzes Audio-Log und danach ist der Fall für Aiden und den Spieler wieder vergessen.
Halbherzig ist wohl auch die passende Beschreibung für die ganze Umsetzung des Hackings, das ja eigentlich eines der Kern-Themen in Watch Dogs ist. Klar, hier und da könnt ihr mal ne Brücke hochfahren lassen, Leitungen explodieren lassen oder mit ner Kamera spannern, aber es hat am Ende doch erstaunlich wenig Einfluss auf das Gameplay und ich fühlte mich wirklich zu keinem Zeitpunkt wie ein Computer-Genie, das gerade die Hightech-Riesen das Fürchten lehrt. Wenn sich das Hacken gerade mal nicht auf das gedrückt halten einer Taste beschränkt, dann bekommt ihr ein Minispiel, bei dem ihr im Prinzip Rohre verlegt und das ist leider auch nicht komplexer als die entsprechenden Minispielchen in Bioshock und bei dem ging es bekanntlich nicht um Hightech und Computer. Ich sage nicht, dass es gar keinen Spaß macht, aber es könnte so viel mehr sein, wenn man sich mal trauen würde, den Spieler zu fordern, statt immer nur die Nutzer mit dem kleinsten IQ und der kürzesten Aufmerksamkeitsspanne als Maßstab zu nehmen.
Doch ich sehe ein, dass dies bei einem Blockbuster mit solchen Produktionskosten einfach zu viel verlangt ist und gerade bei den Open-World-Spielen alle immer nur „mehr“ und „größer“ statt nach mehr Tiefgang und Anspruch schreien. Vermutlich bin ich einfach nur genervt von dem immer gleichen Aufbau der Open-World-Spiele, aber man wird ja noch träumen dürfen.
*Das ist natürlich kein Review, sondern einfach nur ein paar Gedanken, die mir nach dem Spiel im Kopf herumschwirrten.
8 Antworten auf „Watch Dogs und der Fluch der Open-World“
Von allen „großen“ AAA-Open World-Spielen war dieses hier die größte vergebene Chance. Schade, denn was hatte Watch Dogs für ein Potenzial und einen Hype-Rückenwind!
Am Ende hat es sich aber trotzdem ganz gut verkauft, wenn ich mich nicht irre. Mit ganz viel Glück machen sie dann beim Nachfolger alles besser, denn ein brauchbares Fundament ist ja eigentlich vorhanden und mir wäre eine Alternative zu GTA ganz lieb. Just Cause und Saints Row sind ja dann doch noch mal etwas anders ausgerichtet^^
Stimmt, die sind anders ausgerichtet und besser! Viel besser, auch als GTA, natürlich… 🙂
Von Watch Dogs hab ich die Finger gelassen, da gabs imho zu viel Kritik an der Story und scheinbar war die ja berechtigt.
Bei GTA V juckts aber irgendwie schon 😀
Aufgrund den von dir angesprochenen Gründen, habe ich mittlerweile immer weniger Lust auf Open World Spiele. Es gibt kaum was zu entdecken, zahlreiche lieblose Nebenmissionen und nach ein paar Stunden langweilt sogar oft noch die Haupthandlung.
Ich habe deswegen, trotz des interessanten Settings , einen großen Bogen um Watch Dogs gemacht.
Ich mag ja solche Spiele. Allerdings fehlt mir im Moment einfach die Zeit die richtig genießen zu können. Zocken ist manchmal schon Luxus. Ich spiele zwar dann und wann noch Open World Games, aber meist bringe ich die nicht mehr zu Ende, weil die Zeit einfach nicht mehr da ist. Ich verliere mich da aber sehr gern drin.
Also ich habs mir erst neulich beim Steam Summer Sale gekauft und kann bis jetzt nicht klagen. Klar ist es nicht das Über-Game, das viele seinerzeit erwartet hatten (und anscheinend auch noch immer erwarten), aber ich hab auch schon deutlich Schlechteres gespielt …
Ich mag die Lebendigkeit der Stadt und diese ganzen kleinen Aktivitäten und Nebenmissionen, von denen man immer mal wieder eine (oder zwei oder drei …) spielen kann, ohne sich gleich den halben Tag dafür freinehmen zu müssen.
Und die Hacking-Mechanik ist vielleicht nicht besonders anspruchsvoll, aber m.E. gut ins Spiel integriert. Mir macht es z.B. einen Heidenspaß, Missionen mit möglichst wenig Geballere zu absolvieren und Gegner vorzugsweise mit manipulierten Strom- & Dampfleitungen, explodierenden Handys, gehackten Comm Links u.Ä. auszuschalten oder abzulenken. Viele Missionen kann man ja sogar lösen, ohne gefährliche/bewachte Areale überhaupt betreten zu müssen, indem man einfach geschickt die allgegenwärtigen Kameras (fest installierte oder die in den Handys der Wachen) nutzt, um ans Ziel zu gelangen. Und das erfordert durchaus auch ein bisschen Gehirnschmalz und Geduld. 😉 Klar kann man jede Mission auch einfach in Rambo-Manier lösen. Aber das bleibt halt dem Spieler überlassen und das finde ich toll. Spontan fällt mir hier eigentlich nur Deus Ex ein, das dem Spieler ähnliche Freiheiten/Wahlmöglichkeiten lässt.
Dazu kommt, dass die im Spiel aufgegriffenen Thematiken wie Totalüberwachung oder der Sinn/Unsinn von Smart Cities derzeit aktueller sind als jemals zuvor. Watch Dogs bezieht dazu zwar keine klare Position (ist von einem AAA Game wohl auch kaum anders zu erwarten), aber zum Nachdenken darüber (und über die eigenen Aktionen als Spieler) regt es m.E. schon an. Das unterscheidet es auch ganz klar (und positiv) z.B. von diesem anderen Spiel mit den drei Buchstaben.
Insgesamt hat mich Watch Dogs bis jetzt ca. 40 Stunden gut unterhalten und wird es wohl auch noch ein Weilchen länger tun. Was will man mehr?
Achja: Und es hat Alice Cooper & Rise Against im Soundtrack = WIN! 🙂
Tja mit Watch Dogs ist das so ein Ding. Habs bisher auch schon dreimal angefangen. Aber wie du sagst, irgendwie zündet das nicht. Ein Open World Spiel sollte gerade am Anfang sehr stark fesseln. Meiner Meinung nach eine geniale Idee und Umsetzung. Es fehlt nur was…