Kategorien
Experimentell Indie Review / Test

Indie-Review: Residue – Final Cut

teaser residue final cut working parts sWann habt ihr das letzte Mal ein Spiel durchgespielt und direkt im Anschluss eine Stunde lang Hintergrundrecherche auf Wikipedia und Google Earth betrieben? Noch nie? Nun, ich bisher auch nicht, aber bei Residue ist mir genau das passiert.

screenshot residue final cut working parts jumagul büro

Kennt ihr den Aralsee? Er zählte einst zu den vier größten Seen der Welt, doch dann begannen die Sowjets in den 1960er Jahren damit, seine beiden Lebensadern umzuleiten, damit man in der umliegenden Trockensteppe Landwirtschaft betreiben konnte. Auf diese Weise wurde das unterentwickelte Usbekistan zwar zu einem der größten Baumwollexporteure der Welt (und ist es bis heute), aber für die Umwelt hatte es verheerende Folgen. Heute ist das imposante Gewässer, dessen Name so viel wie See der tausend Inseln bedeutet, auf etwa ein Zehntel seiner ursprünglichen Größe geschrumpft. Wo also noch vor wenigen Jahrzehnten Fischer ihre vollen Netze ins Boot zogen, ist jetzt nur noch Wüste und zwischen den Dünen rosten zahllose Schiffe vor sich hin. Dass eine Insel des Sees früher als Forschungsanlage für Biowaffen diente, ist da fast schon unbedeutend.

screenshot residue final cut working parts jumagul emilio schiffsfriedhof

Vor diesem traurigen und irgendwie surrealen Hintergrund erzählt Residue eine zwar kurze, aber sehr emotionale Geschichte von gewöhnlichen Menschen, die Außergewöhnliches tun wollen. Von Idealismus und dem Wunsch, seinem eigenen Leben einen Sinn zu geben. Große Themen also, die man sonst eigentlich nicht in Videospielen erwartet und von vielen wohl auch gar nicht gewollt sind, aber das ist ein anderes Thema.

Residue mischt auf geschickte Weise die traurige Realität mit ein wenig Fiktion und regt damit nicht nur zum Nachdenken an, sondern weckt auch Mitgefühl für die Charaktere. In den rund zwei Stunden Spielzeit lernt ihr eine Gruppe kennen, die versucht, den Aralsee zu retten und hier kommt die Fiktion ins Spiel. Nach langer Suche finden sie einen unterirdischen Fluss, den sie mit einer Sprengung an die Oberfläche leiten wollen, auch wenn es sie das Leben kosten sollte.

screenshot residue final cut working parts emilio tauchen

Während des Spiels übernehmt ihr abwechselnd die Kontrolle über die Charaktere und bewegt sie durch den Schiffsfriedhof, während ihr den Dialogen lauscht und Notizen lest. Obwohl ihr hin und wieder mal ein wenig hüpfen, klettern oder tauchen müsst und dabei auch abstürzen bzw. ertrinken könnt, bleiben die Mechaniken stets sehr simpel und es ist zu jeder Zeit klar, dass sie lediglich als Vehikel für die Geschichte dienen.

Die handgezeichnete und etwas roh wirkende Grafik mag auf den Bildern zunächst nicht ganz überzeugen, aber schon nach kurzer Zeit entwickelt sie ihren ganz eigenen Charme. Die Umgebungen sind zwar allesamt recht statisch und die Animationen alles andere als perfekt, aber es gibt viele kleine Details zu entdecken und man merkt einfach, dass im Design viel Liebe steckt. Auch der Synchronisation fehlt ein wenig der Feinschliff, aber das gleicht der gelungene Soundtrack gut aus.

screenshot residue final cut working parts altabek sitvin

Mit dem starken Fokus auf die Erzählung, dem ruhigen Aufbau und den sehr einfach gehaltenen Interaktionsmöglichkeiten könnte man Residue auch als 2D-Walking-Simulator bezeichnen (wir sollten uns echt mal langsam auf eine schönere Bezeichnung einigen), was wohl schon viele Spielertypen von vornherein ausschließen dürfte. Wer jedoch für ein paar ruhige Stunden (am besten in einem Durchgang) einer ebenso ungewöhnlichen wie interessanten Geschichte lauschen und vielleicht sogar noch etwas lernen möchte, der wird bestens unterhalten. Wenn man diese spezielle Art Spiel also mag, dann ist Residue ein echter Rohdiamant.

Publisher/Entwickler: The Working Parts
Genre: Adventure / Digital Novel / Walking-Simulator / 2D
Plattform: PC | Release: August 2014 | Twitter
Preis: ca. 6 € auf Steam. Das Spiel gibt es auch in anderen Stores, aber die aktuellste Version scheint es nur auf Steam zu geben.

*Bis zum 29.11. könnt ihr bei mir noch einen Steam-Key für Residue gewinnen.

7 Antworten auf „Indie-Review: Residue – Final Cut“

Hallo Poly,

klingt ja mal interessant. Habe ich mir jetzt im Sale bei Steam besorgt und freu mich aufs anspielen. Zusammen mit Unearthed: Trail of Ibn Battuta – Episode 1, The Fall, Never Alone Arctic Collection und einige mehr für zusammen13 Euro. Damit hab ich mein Portfolio an Indiegames stark erhöht… 😉

Ich habe schon vor meinem neuen Blog hier viel geschmökert und finde es interessant, was für schöne Titel die Indieszene produzieren kann.

„man Residue auch als 2D-Walking-Simulator bezeichnen (wir sollten uns echt mal langsam auf eine schönere Bezeichnung einigen)“

Ich verbinde mit dem Begriff nichts schlechtes, alternativ nimm doch Explorerspiel oder FPW (First Person Walker)?

„Residue mischt auf geschickte Weise die traurige Realität mit ein wenig Fiktion“

Ich mag so etwas. Das macht The Secret World übrigens auch äußerst geschickt. Auch zum Stichwort: Internet-Recherche im Computerspiel: Dort gibt es so genannte Investigativ-Missionen, die das mitunter nötig machen:
http://www.buffed.de/The-Secret-World-Spiel-38241/Guides/The-Secret-World-Quest-Guide-Kingsmouth-Code-984347/

Grüße, Albaster

Da hast du dir aber (bis auf Unearthed^^) ein schönes Bundle geschnürt. Ich hoffe, du hast mit denen genauso viel Spaß wie ich.
Für mich ist der Begriff eigentlich auch eher positiv, aber perfekt ist er leider nicht.

TSW werde ich sicher noch mal installieren und es dann solo versuchen, da du ja auf deinem Blog meintest, das ginge auch ganz gut. Die Szenarien des Spiels finde ich nach wie vor total spannend.

Es gibt Plattformer, die sind auch mit Tastatur ganz okay, aber ich würde in dem Genre eigentlich immer zum Pad greifen. Gibt auch Ausnahmen, die dann auch gezielt die Maus zum Einsatz bringen, aber die sind selten. Wer nicht ausschließlich Shooter, Strategie oder MMORPGs spielt, der sollte sowieso ein Pad haben. Ein kabelgebundener 360 Controller (oder wireless + Empfänger) kostet nicht mehr so viel (z.B. 33€ bei Amazon) und ist quasi der Standard am PC. Gibt auch Tools, mit denen du andere Pads kompatibel machen kannst, falls du eh noch eins rumliegen hast. Imo eine einmalige Investition, die sich absolut lohnt, wobei ich halt eh schon Controller von meinen Konsolen habe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert