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Retro Review / Test

Chrome: Halbgarer Sci-Fi-Mix

Mit der Geburt von Franchises wie Call of Duty und PlanetSide sowie den langersehnten Fortsetzungen zu Deus Ex, Unreal und Elite Force war 2003 der Konkurrenzkampf im Shooter-Genre groß. Das ist aber sicher nicht der einzige Grund, warum heute eigentlich niemand mehr über Techlands Chrome spricht. Dabei lockte der Sci-Fi-Shooter damals mit – für jene Zeit – großen, dicht bewachsenen Arealen, einem Inventarsystem, Fahrzeugen, Cyber-Implantaten und einer Rache-Story, die uns von Planet zu Planet führt. Während die lange Feature-Liste in Previews und auf der Rückseite der Packung noch ganz toll klang, entpuppt sie sich beim Spielen leider schnell als halbgares Flickwerk eines Studios, das es mit den Großen aufnehmen wollte und sich übernommen hat.

*Dieser Beitrag wurde für Firefox und eine Auflösung von 1280*720 (oder höher, Landscape-Modus auf Mobile) optimiert

Die größte Schwäche von Chrome ist ausgerechnet die Kernmechanik: das Ballern. Die Gegner-KI ist selbst für damals recht dumm und um das auszugleichen, hat man ihre Trefferquote auf Anschlag gedreht. Es kommt daher nicht selten vor, dass man in einen Raum kommt und nur Sekunden später tot ist, weil man kaum eine Chance hatte, auf die Gegner zu reagieren. Wenn man weiß, was einen erwartet, kann man sich zwar eine Strategie zurechtlegen, aber das Spiel artet an vielen Stellen zu einer Reload-Orgie aus. Ohne ständiges Speichern müsste man wohl selbst den ersten Level zig mal spielen. In den Außenarealen läuft es zwar besser, aber durch die ebenso unpräzisen wie fantasielosen Waffen und das recht simple Layout bleiben die Feuergefechte gegen die immer gleichen Söldner-Klone auch hier meist eher unbefriedigend.

GRAFIKBLENDER:
Üppige Vegetation und hübsche Skyboxen können nicht lange von den Problemen ablenken

Im Grunde bestehen die weitläufigen Umgebungen nur aus viel freier Fläche und einer handvoll karger Gebäude, die so verteilt wurden, dass man möglichst lange von A nach B und schließlich nach C braucht. Schön, dass man das alles ohne weitere Ladezeiten erkunden kann, aber was bringt das, wenn es kaum was zu entdecken gibt und es auch spielerisch keinerlei Mehrwert bietet?

Die Vorbilder sind offensichtlich, aber die mannigfaltigen Lösungswege eines Deus Ex oder wenigstens die vielfältigen Gegner und das abwechslungsreiche Arsenal eines Halo sind hier nicht mal ansatzweise zu erkennen. Man könnte fast denken, dass die Entwickler dachten, um diese Meilensteine zu kopieren reicht es, wenn man große, begrünte Maps und ein Inventar einbaut. Und selbst wenn man diese Vergleiche nicht zieht, bleibt der Punkt, dass sich diese glänzende Schießbude einfach oft mehr nach Arbeit als nach Spaß anfühlt. Es ist mir ein Rätsel, wie Chrome damals in deutschen Magazinen reihenweise Wertungen von rund 80 % abräumen konnte. Die 5 von 10 bei Eurogamer UK entspricht leider eher meinem Spielerlebnis.

Wer ist Techland?
Mit stolzen 33 Jahren im Geschäft ist Techland das wohl älteste, noch bestehende Games-Unternehmen Polens. Chrome war ihr erstes Spiel mit internationaler Anerkennung. Der Durchbruch gelang aber erst mit Serien wie Call of Juarez und Dying Light. Heute bilden sie mit ihren polnischen Konkurrenten CD Projekt (Witcher, Cyberpunk) und Bloober Team (Layers of Fear, Silent Hill 2 Remake) die Speerspitze der osteuropäischen Games-Branche.

Plattform: PC
Release: 16. Juni 2003
Entwickler: Techland
Publisher: Gathering of Developers
Genre: Shooter, Science-Fiction
Preis: ca. 5 € (gebraucht)
Meine Spielzeit: ca. 5h (2/3 des Spiels)

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