Der erste Eindruck kann bekanntlich täuschen, aber manchmal sollte man wirklich auf sein Bauchgefühl hören. Das gilt für das Leben ganz allgemein und manchmal auch für Videospiele. Das Horror-Spiel The Origin: Blind Maid von den paraguayischen Warani Studios ist leider so ein Spiel.
Auf meiner Steam-Wishlist stand es schon länger, aber da sind auch tausende andere Titel drauf. Als jetzt der Release näher rückte und der Publisher BadLand seine Presse-Kampagne startete, schaute ich es mir mal etwas genauer an. Ich kann nicht genau sagen, was es war, aber irgendwie war ich doch ziemlich skeptisch, ob da wirklich ein Horror-Geheimtipp im Anmarsch war. Es gab im Vorfeld verdächtig wenig Gameplay zu sehen und das letzte Spiel des Studios lag schon gut 5 Jahre zurück. Mal abgesehen davon, dass auch das offenbar schon kein Hidden Gem war. Ein befreundeter Horror-Liebhaber war hingegen schon ziemlich heiß auf das Spiel, also entschied ich, meine diffusen Zweifel beiseite zu schieben und dem Spiel eine Chance zu geben. Doch nach gut sechs Stunden mit dem Spiel gebe ich nun auf und kann dennoch guten Gewissens sagen, dass mein Bauchgefühl leider richtig war.
Als Spieler*in schlüpfen wir in die Rolle eines korrupten Lokalpolitikers auf der Flucht. Doch Gesetzeshüter und Drogen-Barone, die ihm ans Leder wollen, sind schnell vergessen als sein Wagen mitten in der Nacht irgendwo in der südamerikanischen Wildnis liegenbleibt. Von da an geht es für ihn nur noch bergab und es scheint fast so, als wolle ihn eine höhere Macht für seine kriminellen Taten bestrafen. Gejagt von seinem wild gewordenen Assistenten und grausigen Monstern stolpert er in einer schier endlosen Nacht durch den finsteren Dschungel.
In der Theorie könnte das zwar der Stoff für eine interessante und ungewöhnliche Geschichte sein, aber letztlich werden die Figuren kaum ausgearbeitet und es ist einem schon bald ziemlich egal, was dieser Typ mal getan hat und ob er diesen Albtraum vielleicht verdient hat. Einige der Locations – etwa ein alter Bahnhof oder eine Mine – können zwar manchmal sogar ganz nett und atmosphärisch aussehen, aber die überwiegende Zeit wandert man nur über öde Feldwege, die von tristen Wäldern und laaaangen Zäunen umgeben sind. Die viel größere Baustelle ist aber das Gameplay. Angefangen beim grundsätzlichen Handling, das sich einfach nicht rund anfühlt. Ob man nun Items nicht greifen kann, weil man es nicht im perfekten Winkel und Abstand versucht oder in einer der zahlreichen Fluchtsequenzen an einem Objekt oder einer Ecke hängenbleibt, es gibt viele Kleinigkeiten, die nerven.
Das geht leider auch beim Kämpfen so weiter. Regelmäßig trifft man auf Monster, die auf einen zustürmen und dann mit Schusswaffen abgewehrt werden sollen. Leider ist das Gunplay aber auffallend schlecht umgesetzt. Es gibt beim Zielen einen leichten Zoom-Effekt und selbst bei höchster Sensitivität kann man viel zu langsam reagieren. Obendrein gibt es kaum brauchbares Trefferfeedback und das FOV ist unangenehm niedrig. Da fällt es kaum noch ins Gewicht, dass es auch nur zwei Waffen und zwei Arten von Gegnern gibt. Wobei das nicht ganz korrekt ist, denn es gibt auch noch eine handvoll Boss-Gegner, die zum Teil wirklich interessant aussehen, aber gegen die ist ein Kampf meistens gar nicht möglich, sondern sie sollen euch nur durch die zahlreichen Labyrinthe jagen. Eine Ausweich-Taste gibt es übrigens auch, aber ich habe es bis zuletzt nicht geschafft, damit gezielt einem Angriff auszuweichen…
Zwischendurch gibt es immer wieder ein paar Abschnitte, wo man kurz ein wenig Adventure-Luft schnuppern darf, aber auch die sind ziemlich unspektakulär und simpel gehalten. Recht innovativ sind hingegen die kleinen RPG- und Crafting-Elemente, die euch ein paar Statuswerte verbessern und mäßig hilfreiche Items basteln lassen. In Horror-Spielen dieser Art recht ungewöhnlich, aber leider auch total halbherzig umgesetzt. Überhaupt wirkt es so als hätten die Entwickler zwar einige gute Ideen gehabt, aber nicht gewusst, wie man sie sinnvoll miteinander kombinieren kann. Am Ende ist nichts wirklich gut ausgearbeitet und das Balancing offensichtlich so daneben, dass euch die Entwickler sogar direkt beim Laden eines Spielstands anbieten, mit unendlich Munition weiterzuspielen.
Es ist wirklich erstaunlich, dass The Origin: Blind Maid so viele Probleme hat. Klar, Enttäuschungen gibt es gerade bei Indie-Horror häufiger. Vermutlich ist es sogar das Genre, wo der Anteil an wirklich miserablen Indie-Projekten am größten ist, aber in diesem Fall ist etwas anders. Das Spiel ist nämlich ein Remake von Malavision, dem ersten Spiel von Warani. Das wird zwar weder auf der Store-Page noch im Presse-Material erwähnt, aber wenn man The Origin gespielt hat, dann erkennt man im Trailer zu Malavision so einige Szenen, die es so fast in identischer Form auch im neuen Spiel gibt. Mal abgesehen davon, dass auch die Handlung und die Charaktere fast unverändert übernommen wurden. Und das wirft bei mir die Frage auf, wieso man anscheinend doch so wenig aus den Problemen des ersten Spiels gelernt hat. Zur Ehrenrettung sei aber erwähnt, dass die Entwickler zumindest gewillt sind, mit kleinen Patches an den Problemen zu arbeiten. So gab es seit dem Launch vor drei Tagen immerhin täglich ein kleines Update.
*Mir wurde für diesen Text ein Presse-Key zur Verfügung gestellt