Die Vorgänger „Schizm: Mysterious Journey“ und „Mysterious Journey II“ sind wohl jedem Myst-Fan ein Begriff. Ich persönlich habe bisher leider beide Spiele nicht gespielt, dafür aber das etwas weniger bekannte „Sentinel: Descendants In Time“ desselben Entwicklerstudios. Dieses Spiel hat mich mit seiner spannenden Story sowie kniffligen Rätseln enorm in seinen Bann gezogen, und obwohl ich es schon mehrfach komplettiert habe, installiere ich es hin und wieder neu, um in die mysteriöse Welt des Grabes 35 einzutauchen. Als bekanntgegeben wurde, dass Urgesteine des ehemaligen Entwicklerstudios ein neues, fast gleichnamiges Studio eröffneten, um ihr Können mit einem neuen Spiel unter Beweis zu stellen, fieberte ich dem Release sehnlichst entgegen.
Die Story des Spiels ist – wie zu erwarten war – untere Mittelklasse und eher Mittel zum Zweck. Die beiden Protagonisten Amia und Bogard möchten gemeinsam den Planeten Regilus erkunden. Dazu nutzen sie eine prototypische Teleportationskapsel und es kommt wie es kommen muss: das Paar wird entzweit. Der oder die Spielende schlüpft nun abwechselnd in die Rollen von Amia und Bogard und versucht, die beiden wieder zusammenzuführen.
Die Reise kann in zwei Schwierigkeitsgraden angetreten werden: normal oder schwer. Was beim Start des Spiels nicht ganz hervorgeht: die Schwierigkeitsgrade unterscheiden sich signifikant. Der erste Modus war vermutlich dazu gedacht, neue Spielerinnen und Spieler für das Genre zu gewinnen. Jedoch bezweifle ich, dass der Plan aufgeht, denn die Rätsel sind oberflächlich und jede Aktion wird mit unnötigen Hinweisen kommentiert. Folglich wirkt jede Welt wie ein Tutorial und es kommt kein Spaß am eigenständigen Lösen auf. Schlimmer noch, die Monologe stören sowohl die Konzentration als auch die Immersion, denn nicht selten verrät einer der Protagonisten die Funktionsweise eines Rätsels, bevor man überhaupt damit interagiert. Für ein Myst-like ist dies ein absolutes No-Go.
Der zweite Schwierigkeitsgrad ist wesentlich besser. Zum einen sind die Rätsel komplexer und zum anderen nimmt die Anzahl der Kommentare ab. Das ganze Potential, das der normale Modus verschenkt, wird hier genutzt. In der Release-Version kam allerdings auch dieser Modus nicht ganz ohne Hinweise aus, was für viel Unmut in den Steam-Foren sorgte. Zum Glück sind die Entwickler*innen sehr aktiv und reagieren offen auf Feedback, sodass inzwischen auch diese Hilfestellungen entfernt wurden und der schwere Modus nun seinem Namen gerecht wird.
Grafisch ist das Spiel wunderschön anzusehen und der Soundtrack verzaubert. Auch die Atmosphäre ist gut, wenngleich sie nicht das Niveau älterer Spiele erreicht. Dies liegt vor allem daran, dass die Entwickler*innen unzählige Tiere und Charaktere ohne wirklichen Sinn ins Spiel integriert haben. Überall sitzen starre, teilweise überproportionale Vögel, Echsen und Katzen, die ab und zu den Kopf bewegen. Es war bestimmt gut gemeint, doch die Bewegungen wirken erzwungen und erinnern an mechanische Konstruktionen aus Freizeitparks. Auch die Charaktere sind eintönig und treiben die Story nicht voran. Sie stehen an seltsamen Orten und bieten nicht mehr als ein paar Zeilen generischer Dialoge. Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen.
Die Rätsel sind abwechslungsreich und anspruchsvoll. So müssen auf der Reise durch die sieben Welten verborgene Tore geöffnet, komplexe Apparaturen bedient, und alte Mechanismen repariert werden. Leider ist der Spielablauf überwiegend linear, was vor allem daran liegt, dass die Welten in abgeschlossene Level aufgeteilt sind. So existiert keine Zwischenwelt, über die Gebiete erneut besucht werden können. Hier wurde viel Potential verschenkt, denn alles was bleibt ist die offensichtliche Reihenfolge, in der Rätsel gelöst werden müssen. An zusätzliches Entdecken und Erforschen ist kaum zu denken.
Dennoch hatte ich eine schöne und sicherlich unvergessliche Zeit auf Regilus. Ich war stets motiviert und gespannt, welche Herausforderungen in der nächsten Welt auf mich warteten. Würde es nur den normalen Modus geben, würde ich das Spiel wahrscheinlich negativ bewerten, aber der schwere Modus hat mich schlussendlich überzeugt. Somit kann ich das Spiel insbesondere denjenigen empfehlen, die bereits Kontakt mit dem Genre hatten.
Pro & Contra
- Knifflige Rätsel im schweren Modus
- Wunderschöne Grafik
- Zu viele ungefragte Tipps
- Starre Charaktere und Fauna
- Lineare Levelstruktur
Über den Autor
Hanni ist ein leidenschaftlicher Adventure-Fan und gut gemachte Rätsel ziehen ihn magisch an. Wenn ihr in einem Steam-Guide nach der Lösung für ein Puzzle sucht, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er den Guide geschrieben hat. So ganz nebenbei ist er auch noch einer der erfolgreichsten Achievement-Jäger im deutschsprachigen Raum und er besitzt so ziemlich jedes Spiel, das jemals auf Steam erschienen ist. Schaut doch mal auf seiner Guide-Seite vorbei.
*Mir wurde für diesen Text ein Presse-Key zur Verfügung gestellt