Edward hat mit den mentalen Folgen eines tragischen Autounfalls zu kämpfen, doch diese Probleme rücken in den Hintergrund als er sich eines Nachts vor den Toren des verschlafenen Städtchens Dormont wiederfindet. Die Bewohner scheinen verschwunden zu sein und in den Schatten lauern unheimliche Gestalten.
Die Idee des Fremden, der irgendwie in eine unheimliche, menschenleere Stadt stolpert, ist nicht erst seit Silent Hill ein altbekanntes Horror-Klischee. Doch so abgenutzt es auch sein mag, im Grunde ist es für mich noch immer eine gute Basis für ein Horror-Spiel. Es spricht nichts dagegen, sich von den besten des Genres inspirieren zu lassen, solange es nicht in plumper Nachahmung endet. Und so viel kann ich jetzt schon sagen, Those Who Remain ist wahrlich kein Silent Hill.
Was in Konamis Kult-Stadt der Nebel ist, das ist in Dormont die Finsternis. Letztere ist allerdings nicht einfach nur unheimlich, sondern tödlich. Überall in der Dunkelheit sieht man schemenhaft Personen, die Stangen, Äxte und dergleichen in den Händen halten. Sie stehen einfach nur regungslos und stumm da, mit ihren gruseligen, blau leuchtenden Augen. Und mehr als das tun sie auch nicht. Solltet ihr ihnen aber auch nur einen einzigen Schritt zu nah kommen, murksen sie euch direkt ab. Solange ihr also immer schön auf Abstand zu diesen dunklen Bereichen bleibt, kann euch nichts passieren. Meistens jedenfalls. In vielen Fällen fungiert die gruselige Schattenarmee einfach als eine Art gruselige Levelbegrenzung, aber sie ist auch ein Element des leider recht dünnen Gameplays.
Diese „Mechanik“ besteht vor allem daraus, dass ihr in fast jedem Raum zuerst den Lichtschalter betätigen müsst, bevor ihr ihn betreten könnt. Und das ist in den meisten Fällen genau so banal wie es sich anhört. Ihr öffnet die Tür, tastet euch vorsichtig ein paar Zentimeter hinein bis ihr das rote Licht neben dem Türrahmen sehen könnt und klickt auf den Schalter. Keine Frage, rein visuell lassen die Schattenmänner fast jeden Raum irgendwie gruselig wirken, aber nachdem ich die ersten Häuser auf diese Weise erforscht hatte, nutzte sich der Effekt extrem ab. In jedem anderen Spiel würde ich genauso das Licht anschalten, nur muss ich das hier halt etwas vorsichtiger machen. Manchmal ist der Lichtschalter auch am anderen Ende und man muss dann eben von der anderen Seite in den Raum gehen, oder man muss erst noch den Sicherungskasten finden. Viel anspruchsvoller wird es aber nur äußerst selten. Es war schon ein echtes Highlight als ich auf einem Dachboden mal ein paar Gegenstände werfen musste, um einen Stapel Kisten umzuwerfen und somit den Weg für das Licht freizumachen. An manchen Stellen wirkt es sogar sehr gezwungen. Zum Beispiel, wenn mal wieder im Nirgendwo ein Generator steht und ein sinnfreies Warnschild oder ähnliches betreibt. Und man sollte sich lieber gar nicht erst die Frage stellen, warum der Protagonist nicht einfach eine der zahlreichen Lichtquellen mitnehmen oder sich eine Fackel basteln kann.
Those Who Remain zieht es leider die allermeiste Zeit vor, den Spieler lieber nicht zu viel selbst denken zu lassen. Im Steam-Forum fragte ein User ganz direkt, ob es sich um einen Walking-Simulator handelt und die Entwickler beschrieben ihr Spiel daraufhin als “first person adventure with puzzle solving and decision making“. Das ist auf gewisse Weise zwar schon korrekt, aber wer hier tatsächlich ein Adventure im klassischen Sinn erwartet, der könnte ziemlich enttäuscht werden. Für meinen Geschmack ist es dem Walking-Simulator dann nämlich doch deutlich näher als einem Horror-Adventure.
Ja, zum Ende hin gibt es eine handvoll kleinere Aufgaben, die man als Puzzles bezeichnen kann, aber selbst die sind weder besonders kreativ noch fühlt sich ihre Lösung allzu befriedigend an. Ansonsten ist man eigentlich nur damit beschäftigt, von Raum zu Raum zu gehen, um den einen blinkenden Schlüssel zu finden, der die eine verschlossene Tür oder dergleichen öffnet. Zwischendurch findet sich dann mal eine Notiz oder ein Tagebuch, aber deren Inhalt ist nicht besonders spannend und es sind auch nur eine handvoll. In aller Regelmäßigkeit betritt man zudem noch eine Art Parallelwelt. Diese alternativen Versionen der Umgebungen sind zwar zumeist ganz hübsch anzuschauen, aber sie sind spielerisch genauso simpel wie der Rest und auch nicht besonders elegant ins Spiel eingewoben. Da ihr die allermeiste Zeit keiner echten Gefahr ausgesetzt seid, gibt es natürlich auch kein Kampfsystem, aber so ganz wollten sie dann doch nicht auf Action verzichten. Es gibt also auch hier wieder die üblichen Fluchtsequenzen und sie fühlten sich leider an als hätte ich sie genau so schon in zig anderen Spielen absolviert. Immerhin waren sie schnell geschafft und endeten nicht in unzähligen Neustarts.
Leider verhält es sich mit der Geschichte nicht viel anders als mit dem Gameplay. In Dormont kam ein junges Mädchen ums Leben und die Verantwortlichen wurden dafür nie bestraft. Der halbe Ort scheint darin verwickelt zu sein und im Grunde besucht ihr nacheinander die vermeintlichen Täter. Am Ende jedes Besuchs müsst ihr dann entscheiden, ob der Person vergeben wird. Mal abgesehen davon, dass man hinterfragen kann, warum das jetzt jemand von außen entscheiden soll, erfährt man auch fast nichts über die Personen. Für mich waren sie allesamt seelenlose Hüllen und ich hatte nicht wirklich das Gefühl, dass meine Entscheidung wirklich von Bedeutung ist. Das Spiel bemüht sich auch kein Bisschen, euch die Konsequenzen zu verdeutlichen. Abgesehen von einer lahmen Auflösung am Ende hat dieser Aspekt auch auf das Spiel selbst keine Auswirkungen.
Those Who Remain ist kein wirklich schlechtes Spiel und man merkt durchaus, dass die Entwickler sich bemüht haben. Die Umgebungen sehen stellenweise wirklich toll aus und die Grundidee ist interessant. Letztendlich macht das Spiel aber kaum etwas daraus. Stattdessen hakt es die meiste Zeit über nur die Genre-Checkliste ab und packt den Spieler auch noch in Watte. Dabei hätte man so coole Dinge machen können. Warum darf ich Dormont zum Beispiel nicht frei erkunden, sondern werde Kapitel für Kapitel an einem kleinen Schauplatz abgesetzt? Wieso ist das Licht nur so eine Alibi-Mechanik und nicht der Kern des Spiels? Es gibt sicher Spieler, die genau diese Art des lockeren Grusel-Spaziergangs wollen, doch für mich war es einfach zu wenig.