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Indie Review / Test

Roboter-Archäologie in The Signal From Tölva

Mit Sir, You Are Being Hunted schufen Ex-Spielejournalist Jim Rossignol und sein Team bei Big Robot eine der skurrilsten Interpretationen des Survival-Genres. Für The Signal From Tölva nahmen sie sich nun u.a. den Open-World-Klassiker STALKER zum Vorbild und obgleich es diesmal deutlich bodenständiger zugeht, verpassen sie auch diesem Thema ihren eigenen Anstrich.

In ferner Zukunft sind Roboter genauso neugierige Forscher und Entdecker wie wir Menschen. Die Neugier ist es dann auch, die gleich mehrere konkurrierende Fraktionen dieser Blechkameraden auf den scheinbar unbesiedelten Planeten Tölva führt. Irgendwer oder irgendwas sendet von dort ein rätselhaftes Signal und alle wollen sie herausfinden, was dahinter steckt. Im Auftrag der sogenannten Broker beginnt auch ihr mit ersten Untersuchungen, aber je mehr Daten ihr sammelt desto mysteriöser wird das Signal.


Euer primäres Ziel ist die Erforschung der Umgebung und der vielen kleinen Datenfragmente, die überall in Form von Wracks, Ruinen und Artefakten verstreut sind. Wichtigstes Werkzeug ist dabei eure Karte, auf der nach und nach neue Markierungen erscheinen, je weiter ihr euch durch die Spielwelt bewegt. Komplett frei seid ihr dabei allerdings nicht, denn zum einen gibt euch die Topografie mit ihren vielen Tälern und Bergen ein wenig den Weg vor und zum anderen trefft ihr an einigen Schlüsselstellen auf Barrieren wie Strahlung oder toxische Areale. Um diese passieren zu können, braucht ihr erst die passende Ausrüstung.

Da trifft es sich gut, dass euch eure Auftraggeber für neue Erkenntnisse stets auch mit Zugang zu neuer Technologie belohnen. Neben Schutzlegierungen für verstrahlte Bereiche usw. gehören dazu natürlich auch diverse Waffen sowie verbesserte Schilde und eine Reihe von Spezialfähigkeiten. Immer vorausgesetzt, dass ihr auf euren Touren auch genug Schrott aufgelesen habt, der hier als Währung fungiert. All das ist auch bitter nötig, denn so malerisch Tölva auch zunächst wirken mag, hinter der nächsten Biegung wartet nicht selten ein Trupp der mechanischen Konkurrenz.

Im Vergleich zur Konkurrenz fallen Ausrüstung und Gegnertypen zwar recht überschaubar aus, aber an taktischer Finesse fehlt es den Gefechten keineswegs. Ob ihr euch nun mit einem Scharfschützengewehr auf einen Felsen hockt oder lieber mit dem Laser-MG einen Sturmangriff führt, amüsant ist es eigentlich immer. Je nach Gelände verteilen sich die Gegner gut und gerade zu Beginn sinkt eure Lebensenergie schon nach wenigen Treffern in einen kritischen Bereich. Außerdem sind die feindlichen Truppen immer wieder für Überraschungen gut, denn es kann durchaus vorkommen, dass in der Ferne andere Patrouillen auf die Schüsse aufmerksam werden und ihr plötzlich an mehreren Fronten kämpfen müsst. Das vielleicht wichtigste Werkzeug ist daher euer Fernglas, mit dem ihr die Umgebung vorab auskundschaften und mögliche Feinde mit einer praktischen Markierung versehen könnt. Auf diese Art könnt ihr die Feindbewegungen auch durch Hindernisse hindurch beobachten und bleibt vor allzu bösen Überraschungen weitestgehend verschont. Mit diesem taktischen Vorteil im Rücken kann dann die Lasershow losgehen.

Die Wahl eurer Waffe ist also längst nicht so wichtig wie geplantes Vorgehen, ein Auge für das Areal und ein gezielter Einsatz eures Schildes. Der hält zwar immer nur für wenige Sekunden bzw. Treffer, aber er lädt sich immer wieder auf. Erfahrene Blechsoldaten wagen sich daher immer nur für kurze Salven und bei aktiviertem Schild aus der Deckung. Auf ähnliche Weise funktionieren auch die Spezialfähigkeiten, welche beispielsweise euch und eure Kameraden heilen, Gegner mit einer Energiewelle verwirren oder ein fliegendes Geschütz als Verstärkung anfordern. Ausrüsten dürft ihr davon aber auch immer nur eine einzige.

Die Tatsache, dass die Gegner über die gleiche Schildtechnologie und Spezialfähigkeiten wie ihr verfügen, bildet das Salz in einer äußerst schmackhaften Suppe aus entspanntem Erkunden, hektischen Positionswechseln und dem einen oder anderen panischen Rückzug. Angefangen bei der Schildmechanik, über die wenigen Waffen und Fähigkeiten bis hin zur KI der Gegner sind alle Zutaten sorgfältig aufeinander abgestimmt. Die so entstehende Dynamik in den Gefechten sucht man in vielen großen Shootern leider vergebens.

Wer sich einsam fühlt, der kann obendrein einen der beiden Waffenslots für den Phreaker opfern. Mit diesem Gerät könnt ihr neutrale Roboter in treue Kampfgefährten verwandeln. Viel mehr als „gehe dorthin“ verstehen sie zwar nicht, aber sie folgen euch treudoof in jede Schlacht. Ich fand es zwar spaßiger und auch effektiver, statt der Kameraden eine zweite Waffe mitzunehmen, aber gerade für all diejenigen, die sonst eher keine Shooter-Fans sind, ist es sicher eine willkommene Option.

Dem Bestreben, auch den Shooter-Muffeln nicht den Spaß zu verderben ist vermutlich auch der folgende Umstand geschuldet: Ihr seid im Grunde unsterblich. Ihr macht euch nämlich nicht persönlich die Greifarme schmutzig, sondern hackt euch in einen der vielen Robokollegen, die ohnehin schon vor Ort sind. Davon gibt es jede Menge und das hat zur Folge, dass ihr euch um das Leben eurer Drohne genaugenommen nur wenig Sorgen machen müsst. Solltet ihr euch mal überschätzen und die Lichter ausgehen, dann übernehmt ihr einfach an einem der eroberten Stützpunkte die Kontrolle über eine andere Drohne. Die einzige Strafe für euer Versagen ist also ein kleiner Fußmarsch, was den ausgefeilten Kämpfen gerade zum Ende hin dann leider doch noch ein wenig den Wind aus den Segeln nimmt.

Abseits von Kämpfen und entspannten Erkundungsgängen finden sich auch immer wieder betretbare Bunker. Die sind zwar frei von Feinden und im Prinzip eine nette Abwechslung, aber ihre Erforschung dürfte manche Spieler wohl trotzdem an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringen. Es sind nämlich allesamt Labyrinthe, die obendrein ihren Aufbau immer wieder ein wenig verändern. Zuweilen dauert es ein wenig, bis man die Mechanik dahinter durchschaut und gerade Spieler, die schon von normalen Labyrinth-Passagen genervt sind, könnte hier womöglich die Motivation verlassen. Für etwas Ärger könnte auch die Story sorgen, die hauptsächlich über lesbare Logdateien erzählt wird und leider mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet.

Spielerisch geht Tölva zwar in eine ganz andere Richtung, aber bei der Optik kann man durchaus Parallelen zum vorherigen Projekt erkennen, denn als sehr kleines Indie-Team hat man schnell gelernt, dass man mit einem klaren und eigenständigen Stil durchaus auch die überbordende Detailversessenheit großer Grafikabteilungen ausstechen kann. Statt fotorealistischer Texturen und super komplexen Models bestimmen klare Formen und pastellige Töne den Look. Im Vergleich mit den meisten Genre-Konkurrenten ist Tölvas Design zwar spürbar reduziert, aber an visuellen Highlights mangelt es trotzdem nicht.

Jeder Felsen, jeder Strauch und jeder Hügel ist mit Bedacht gesetzt worden und zwar nicht nur, um den Gefechten genug Spielraum zu lassen, sondern auch als Blickfang. Hinter jeder Anhöhe findet sich ein neues Panorama und am Horizont wartet schon die nächste Attraktion auf euren Besuch. Angefangen bei gigantischen Raumschiffen, die unheilvoll über der Szenerie schweben, über gewaltige Überbleibsel fremdartiger Technologie bis hin zu monumentalen Ruinen. Und damit all die Sehenswürdigkeiten noch besser zur Geltung kommen, sorgt ein Tag-/Nacht-Wechsel für stimmungsvolle Lichtspielereien. Für Stimmung sorgen auch das gute Audiodesign und der mal chillige, mal gespenstische Soundtrack, wobei letzterer leider erschreckend zaghaft genutzt wird.

Fazit
Auch bei The Signal From Tölva bleiben sich Big Robot treu und präsentieren einen Shooter, der irgendwie in keine Schublade passt. Vielen Genre-Fans werden die ruhigen Passagen und der eher minimalistische Ansatz nicht gefallen. Wer einfach nur einen Open-World-Shooter im Stil moderner Far Crys erwartet, kann nur enttäuscht werden. Wenn euch allerdings der Artstyle zusagt, ihr eine Schwäche für gut abgestimmtes Gunplay habt und Walking Simulator für euch kein Schimpfwort ist, dann solltet ihr Tölva zumindest mal anspielen.

4 Antworten auf „Roboter-Archäologie in The Signal From Tölva“

Auf das Spiel habe ich auch schon eine Weile ein Auge geworfen und hätte es mir neulich im Sale auch fast gekauft, wenn das liebe Geld nicht mal wieder so knapp wäre. Wobei ich bisher eher dachte, es wäre mehr ein „Walking-Simulator“/Survival-Spiel mit FPS-Elementen (ähnlich Dayz, Miscreated, 7DTD, etc.), so wie es sich liest ist es aber eher genau andersum, also ein Shooter mit Survival-Elementen. Klingt trotzdem interessant und wird früher oder später mit Sicherheit ein Teil der digitalen Sammlung werden.

Schönes Review übrigens!

Vergleiche mit Stalker oder auch FarCry habe ich ja schon öfter gehört (obwohl sie nur bedingt zutreffen), aber deine Annahme, dass es ein Survival-Game ist, verwundert mich doch etwas. Hat das mal irgendwer so geschrieben oder hat dir die Store Page diesen eindruck vermittelt? Es hat nämlich wirklich gar keine der typischen Survival-Elemente wie Crafting, „Bedürfnisse“ (Hunger, Durst etc.) oder dergleichen. Danke für den Kommentar 🙂

PS: Ich habe tatsächlich noch einen Key dafür herumliegen und den werde ich jetzt mal auf Twitter unter meinen Followern verlosen 😉

Ich kann Dir gar nicht sagen, wie ich auf diesen Trichter gekommen bin. Vielleicht habe ich da auch irgendwas verwechselt oder zusammen geschmissen, keine Ahnung. Aber gut, dass ich mich getäuscht habe, ich finde das Spiel nämlich bisher echt klasse.

Aber einen großen Kritikpunkt habe ich: Das Open-World-Setting und die ohnehin vernetzten Drohnen wären doch ein Steilvorlage für einen schönen Coop-Shooter gewesen, aber leider wurde die wieder nicht genutzt.Schade, das hätte sicher Spaß gemacht, zu zweit oder gar mehr auf Entdeckungstouren zu gehen, Angriffsstrategien gegen größere Gegnertruppen auszufeilen, etc.

Naja, es wäre sicher ein netter Bonus gewesen, aber es gibt ja mittlerweile viele Alternativen für Online-Koop und ich persönlich hätte es vermutlich trotzdem solo gespielt. Freut mich auf jeden Fall, dass es dir offenbar auch gut gefällt. Hoffentlich bleibt das auch so 🙂

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