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Indie Review / Test

Links Halbbruder aus dem hohen Norden: Cornerstone – The Song of Tyrim

Es ist jetzt fast auf den Tag genau vier Jahre her, dass ich auf Kickstarter ein kleines schwedisches Team und ihr Spiel Cornerstone – The Song of Tyrim unterstützt habe. Das Projekt war unübersehbar von Nintendos Zelda – The Wind Waker inspiriert, aber ein nordisch angehauchtes Setting, Einflüsse von Dark Souls und ein simples Crafting-System machten Hoffnung, dass es am Ende nicht nur ein Abklatsch des Gamecube-Hits von 2002 werden würde.

Die kleine Insel Borja ist die geliebte Heimat unzähliger Generationen von Wikingern und auch der junge Bursche Tyrim verlebt auf dem felsigen Eiland eine unbeschwerte Kindheit. Die scheint nun aber vorbei zu sein, denn nachdem die Männer der Insel von einer mysteriösen Reise nicht mehr zurückkehren, ist er der einzige, der das Schicksal seines Vaters und dessen Gefährten noch aufklären kann. Bevor ihr jedoch in See stechen könnt und das Abenteuer so richtig beginnt, erkundet ihr eure Heimatinsel und sucht nach Hinweisen auf den Verbleib der Männer.

Borja dient also gewissermaßen als Tutorial und in den Gesprächen mit den verbliebenen Inselbewohnern sowie kleinen Quests lernt ihr auf spielerische Weise die Basics. Ihr besucht euren ersten Mini-Dungeon, absolviert Hüpfpassagen und macht eure ersten Erfahrungen mit dem Kampfsystem. Letzteres fällt relativ simpel aus und dürfte trotz des Fokus auf Blocken, Rollen und eine handvoll Attacken wohl kaum als Dark Souls-like durchgehen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase erfüllt es zwar seinen Zweck, aber es hat weder echte Tiefe noch fühlt es sich wirklich gut an. Das führte sogar dazu, dass ich gerade in den ersten Stunden oft lieber wahllos nach Gegenständen gegriffen habe, die ich nach den Gegnern werfen konnte, statt sie auf althergebrachte Weise zu bekämpfen. Was zwar für den einen oder anderen Lacher sorgte, aber wohl nicht unbedingt das war, was sich die Entwickler beim Design des Kampfsystems vorgestellt hatten. Mangelnde Tiefe wird manch ein Sandbox-Veteran wohl auch dem Crafting-System vorwerfen, das sich mit seinen fünf Materialarten vornehmlich auf Waffen und Rüstungsteile beschränkt. Auch Objekte wie Kisten, Fackeln oder ein Fallschirm lassen sich, den passenden Bauplan vorausgesetzt, an Ort und Stelle mit einem simplen Tastendruck basteln, aber ihr Nutzen ist relativ begrenzt. Meist braucht ihr sie nur, um euch alternative Wege durch die Spielwelt zu schaffen oder bestimmte Rätsel zu lösen. Wer also gerne seine eigene Basis bastelt und stundenlang nach seltenen Ressourcen schürft, der sollte doch eher bei Minecraft und Co. bleiben.

So richtig interessant wird es aber ohnehin erst, wenn ihr endlich euer erstes Floß bauen und die umliegenden Inseln erkunden dürft. Davon gibt es insgesamt drei kleine und vier größere, die rings um Borja verteilt sind. Welche der drei benachbarten Inseln ihr zuerst ansteuert, liegt ganz bei euch, aber Reisen zu den großen Inseln an den Rändern der Karte bleiben euch solange verwehrt bis ihr ein besseres Schiff habt. Ähnlich dem großen Vorbild lässt euch also auch Cornerstone gewisse Freiheiten, ohne euch dabei wirklich ganz von der Leine zu lassen.


Das zeigt sich auch beim Design der relativ kleinen Spielwelt und der verschiedenen Quests, wenn man sie denn so nennen will. Viele davon, wie etwa die Suche nach einem Buch in einer turmartigen Bibliothek mit unfreundlichen Mönchen oder die Freilegung eines verschollenen Tempels in einer Wüste, lassen sich auf verschiedene Weise angehen. Meistens läuft es zwar nur darauf hinaus, dass ihr entweder den offiziellen Weg nehmt oder euch mit Hilfe des Craftings und der Spielphysik einen eigenen Weg baut, aber das reichte eigentlich schon aus, um mir ein wenig das Gefühl von Freiheit vorzugaukeln. Das liegt vielleicht auch daran, dass man entgegen dem Trend darauf verzichtet, die Karte mit Icons zuzupflastern und euch mit Wegweisern zur nächsten Mission zu lotsen. Ein paar mehr optionale Aufgaben und versteckte Belohnungen hätte ich mir allerdings trotzdem gewünscht.


Für sich genommen sind die einzelnen Elemente des Spiels ziemlich durchschnittlich. Weder die recht unspektakuläre Comic-Optik, noch die blasse Hintergrundgeschichte oder das einfach gehaltene Gameplay ist wirklich herausragend. Obendrein gibt es so manchen Bug, Tyrims Steuerung ist manchmal ziemlich bockig und überhaupt fehlt es an vielen Ecken am Feinschliff, den man von großen Projekten gewöhnt ist. Einzige Ausnahme ist da der ausgesprochen schöne Soundtrack.


Fazit
Doch Cornerstone ist zum Glück mehr als nur die Summe seiner Teile. Wenn man sich gleich zu Beginn von dem Gedanken verabschiedet, hier ein Action-Adventure auf Nintendo-Niveau zu bekommen, dann kann man beim Inselhopping viel Spaß haben. Viel bleibt nach den rund 12 Stunden Spielzeit zwar nicht hängen und einen zweiten Durchgang kann man sich schenken, aber man spürt dennoch, dass die Entwickler hier mit Herzblut dabei waren und ich habe zu keiner Minute bereut, das Projekt unterstützt zu haben. Der Preis von 20 € mag etwas zu hoch sein, aber zumindest im Sale ist Cornerstone durchaus eine gelungene Alternative für all diejenigen, die kein echtes Zelda spielen können oder einfach nach einem unbekümmerten Action-Adventure suchen.

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