Spätestens seit Limbo haben die Cinematic (oder Narrative Driven oder Atmospheric oder…) Platformer einen besonderen Platz in meinem Spielerherzen. Eine Nische, die zwar nichts mit AAA zu tun hat, aber mittlerweile eine ganze Menge Hochkaräter beherbergt. Da hilft es, wenn man sich mit einem Feature oder einem frischen Ansatz von der Konkurrenz abheben kann. Für Antro, das Debüt-Spiel des katalanischen Studios Gatera, soll dieser Twist ein besonderer Fokus auf Musik und Urban Culture sein.
*Dieser Beitrag wurde für die Betrachtung an einem Monitor und eine Auflösung von 1280*720 (oder höher, Mobile: quer/Landscape-Modus) optimiert.
In der Zukunft wird die Erdoberfläche unbewohnbar und was von der Menschheit noch übrig ist, haust nun in einer unterirdischen Kolonie. Die Antro genannte Zuflucht besteht aus drei übereinander angeordneten Distrikten, welche nicht nur symbolisch für die soziale Trennung und Ungerechtigkeit dieser neuen Gesellschaft stehen. Über allem steht La Cúpula, ein totalitäres Regime, das die ebenso hungrigen wie hoffnungslosen Massen mit ständiger Überwachung, Drohnen und seelenlosen Roboter-Schergen unterjocht.

Nittch, ein unscheinbarer junger Mann mit Basecap und Kopfhörern, lebt in den Slums dieser zur dystopischen Metropole gewachsenen Notunterkunft. Wie die meisten, versucht er einfach nur zu überleben. Statt mit der offiziellen Zwangsarbeit hält er sich jedoch vor allem als flinker und risikofreudiger Botenjunge über Wasser. Eines Tages erhält er den Auftrag, ein Paket in einer der versteckten Flüsterkneipen abzuholen und an einen geheimnisvollen Empfänger zu liefern. Doch als er die Ware an sich nehmen will, gerät er ins Visier der Behörden, die ihn fortan kreuz und quer durch Antro jagen.

Das ganze Spiel dreht sich also vordergründig darum, Nittch irgendwie unbeschadet durch die Distrikte zu manövrieren und das mysteriöse Paket abzuliefern. Wie im Genre sehr üblich, geschieht das im Wesentlichen in 2D und fast immer ganz simpel von links nach rechts, obwohl die Spielwelt selbst in 3D inszeniert ist. Auf der Hatz durch die verschiedenen Ebenen Antros wechselt das Spiel regelmäßig zwischen zwei Gameplay-Varianten. Es gibt die Action-Sequenzen in denen man einen typischen Auto-Runner spielt. Nittch wird also mal wieder von seinen Verfolgern aufgespürt und rennt sich die Seele aus dem Leib. Richtung und Geschwindigkeit gibt das Spiel vor und man muss nur noch in den richtigen Momenten springen, rutschen oder mit dem Knüppel zuschlagen. Um Nittch herum bricht währenddessen natürlich die geskriptete Hölle los. Levelteile stürzen ein, U-Bahnen rasen um Haaresbreite an ihm vorbei und Lasersalven zischen über seinen Kopf.
Untermalt wird jede dieser Fluchtsequenzen schließlich mit einem dazugehörigen Hip Hop-, Drill-, R&B bzw. Elektro-Song. Der Clou ist dabei, dass es nicht einfach nur irgendwelche Musik ist, sondern die Lyrics auch inhaltlich zum Storytelling beitragen sollen. Ich schreibe sollen, weil leider keine englische Variante der Tracks angeboten wird und die Sequenzen völlig ungeeignet sind, um nebenher noch Untertitel zu lesen. Was also gewissermaßen das Signature Feature sein soll, hat für mich persönlich leider nur bedingt funktioniert, weil ich kein Spanisch (oder Katalanisch?) verstehe und zudem leider auch mit diesen Musikgenres wenig anfangen kann.




Verbunden werden diese Passagen durch die ruhigeren Momente, in denen es Atmosphäre aufbauen und vor allem durch das Design der Umgebung die Story vorantreiben will. Man spaziert dann beispielsweise an einem 1984-artigen Fahnenappell vorbei oder stolpert in einen illegalen Rave. In diesen Passagen will dann gelegentlich auch mal ein Hindernis zerschlagen, ein wenig geklettert oder an Terminals eine Tastenfolge nachgespielt werden. Auch ein paar Collectibles kann man finden. Viel mehr spielerischen Tiefgang als bei den Auto-Runner-Passagen darf man allerdings auch hier nicht erwarten.
Die Optik ist simpel, aber nicht unansehnlich. Antro sorgt auch mit den eher einfachen Mitteln für Atmosphäre sowie ein paar herausragende Szenen. Es sind ein paar nette Ideen drin, wie etwa eine verdrehte Spielwelt während einer Art Drogentrip und an einigen Stellen spielt es gut mit Perspektive und Größe der Levelarchitektur. Gleichzeitig habe ich mich aber auch immer wieder gefragt, ob der minimalistische Low-Poly-Look jetzt ein bewusst gewähltes Stilmittel ist oder doch nur einem zu kleinen Budget geschuldet war. Vermutlich eher letzteres, denn nach maximal 2 Stunden sieht man auch schon die Credits. Man kann also ohne Probleme in einem Rutsch durch Antro flitzen und dann erzielt es auch die beste Wirkung, denke ich.

Wenn man ein Schwergewicht wie Inside, Somerville oder Planet of Lana erwartet, wird man sicher enttäuscht sein. Damit tut man sich selbst aber keinen Gefallen und dem Spiel auch etwas Unrecht. Zum einen war das Budget zweifellos deutlich kleiner und zum anderen verfolgt Antro auch einfach einen etwas flotteren und vereinfachten Weg. Genau wie die Hauptfigur Nittch rennt man eben so durch und hält sich nicht zu sehr mit dem Drumherum auf. Und wenn man über die unbestreitbaren Schwächen hinwegsehen kann, ist es ein unterhaltsamer Sprint.

*Für dieses Review hat mir der Publisher freundlicher Weise via Keymailer einen Review-Key zur Verfügung gestellt.