Ich hatte ja schon angedroht, dass ich ein neues Logbuch schreiben möchte und nun ist es soweit. Allerdings berichte ich nicht wieder von meinen Erlebnissen mit Zombies und mörderischen Mitspielern in DayZ. Stattdessen widme ich mich diesmal einem Solo-Abenteuer und verliere mich im unvergesslichen siebten Teil einer legendären Rollenspielserie. Ihr ahnt es sicher schon, ich bereise das schöne Enroth in Might & Magic VII: For Blood and Honor… Alle Final Fantasy-Fans dürften spätestens jetzt enttäuscht den Tab geschlossen haben, aber den verbliebenen zwei Lesern erkläre ich gern, warum ich dieses leicht trashige CRPG der Spätneunziger für mein neues Logbuch ausgesucht habe.
Might & Magic 6 erschien im April 1998 und dürfte mein erstes richtiges CRPG gewesen sein. Ich bekam es zwar erst 1-2 Jahre später in die Finger, aber das schadete meiner Faszination für diese kantige Spielwelt kein Stück. Für eine Weile habe ich sogar fast mehr in diesem Fantasyreich als in der echten Welt gelebt. Vermutlich ist es auch das erste Spiel in dem ich geradezu zwanghaft jeden Mist mitnehmen und verkaufen musste, obwohl ich schon mehr Gold hatte als ich jemals ausgeben könnte…
Das ist inzwischen gut zwei Jahrzehnte her und obwohl die Technik heute unendlich viel besser ist, haben nur wenige Spiele danach bei mir ein ähnlich starkes Gefühl von Abenteuerlust und Neugier wecken können. Damals waren wirklich offene Spielwelten auch noch recht ungewöhnlich. Natürlich gab es schon die Elder Scrolls-Reihe, Ultima Underworld oder Virtual Hydlide, aber GTA war zum Beispiel noch zweidimensional. Generell waren die allermeisten Spiele schon allein aufgrund der begrenzten 3D-Fähigkeiten eher linear und verwinkelt statt offen und frei. Might & Magic 6 warf mich hingegen einfach in eine große Welt und ließ mich selbst entscheiden, wohin ich gehe und welchen Aufgaben ich mich widme. Es war ein großer Sandkasten, bei dem ich mich immer fragte, was wohl hinter dem nächsten Hügel auf mich warten würde.
Für viele ist Might & Magic 6 der beste Teil der Serie, die 2014 mit Might & Magic X: Legacy ihr vorläufiges Ende fand. Schon bei Teil 6 gab es nicht nur positive Stimmen in der Presse und die Nachfolger wurden häufig dafür kritisiert, dass sie an der bekannten Formel nur wenig veränderten und auch technisch zunehmend ins Hintertreffen gerieten. Auch ich verbrachte danach nur noch wenige Stunden im siebten Teil, ehe ich die Serie komplett aus den Augen verlor. Mit diesem Logbuch kehre ich also ein Stück weit zu meinen spielerischen Wurzeln zurück und ich bin fest entschlossen, jeden Winkel dieses Retro-Abenteuers zu erforschen. Meine Hoffnung war, dass das offene Design von Might & Magic genug Überraschungen für ein neues Logbuch bereithalten würde und da lag ich wohl richtig, denn schon meine erste Session endete im Chaos. LOL
Die Fantastic Four
Bevor ich mein Abenteuer so richtig starten kann, muss ich mir erst mal eine schlagkräftige Heldentruppe zusammenstellen. Verglichen mit der Charaktergenerierung in so manch modernem RPG wirkt das hier zwar eher rudimentär, aber trotzdem fällt mir die Entscheidung nicht leicht. Mit diesem Quartett muss ich schließlich das gesamte Spiel durchstehen und ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern, wie meine Truppe damals im Vorgänger aussah. Grübelnd klicke ich mich also durch die vielen Klassen, Rassen und Charakterwerte als mir die zündende Idee kommt. Wenn ich das Abenteuer sowieso auf meinem Blog bespreche, dann kann ich doch gleich ein paar Blogger-Kollegen zu meinen virtuellen Mitstreitern machen. Natürlich hättet ihr es alle verdient, aber ich darf halt nur vier Leute rekrutieren und einer davon bin auch noch ich selbst.
Aus mir habe ich einen Elfen-Dieb gemacht, der hoffentlich irgendwann mal gut mit dem Bogen umgehen kann. Der Mann für‘s Grobe ist der Retro-Connaisseur Michele, kurz Mitch, von Yesterplay. Er übernimmt als zotteliger Zwerg die Rolle des Rangers. Natürlich brauche ich auch eine Dame in der Truppe und da fiel meine Wahl auf die fleißigste Games-Bloggerin, die ich kenne: Gwyn vom Durchgespielt-Podcast bzw. Gwyn-Gaming. Die wird mir als menschliche Klerikerin sicher noch das eine oder andere Mal den Arsch retten. JRPG-Experte Marc (aka Johnny Lazerpunch) vom Echokraut-Podcast macht das Team komplett. Der würde zwar mit Sicherheit lieber im siebten Teil einer gewissen anderen Rollenspiel-Serie eine Gastrolle übernehmen, aber ich habe ihn trotzdem ungefragt zu meinem Zauberer gemacht. Sein Portrait sieht allerdings eher nach Chuck Norris aus. Es steht halt leider nur eine handvoll Portraits zur Auswahl und so richtig toll sind die alle nicht. Also nehmt mir das Aussehen der Charaktere bitte nicht übel 😀
Nachdem die lästige Charaktererstellung abgehakt ist, kann es endlich losgehen. Nach einem pixeligen Intro finde ich mich auf der Smaragdinsel wieder, wo mich die nette Dame vom Tourismusbüro in Empfang nimmt. Auf dem Eiland findet gerade eine Art Schnitzeljagd für Abenteurer statt und dem Gewinner winkt wohl neben Ruhm auch ein kleines Anwesen. Allerdings ist dieser Wettbewerb nicht ganz ungefährlich, denn es sind schon ein paar Teilnehmer verschwunden und obendrein soll hier auch noch ein Drache sein Unwesen treiben. Wir sind also eher nicht die Auserwählten, auf die man hier schon lange gewartet hat, sondern nur eine weitere Schiffsladung Glücksritter.
That escalated quickly!
Das ist mir aber zunächst alles ziemlich egal, denn mit meiner Gurkentruppe kann ich es zu Beginn ja sowieso höchstens mit Ratten und anderem RPG-Kanonenfutter aufnehmen. Meine Ausrüstung ist ein Witz und Geld habe ich auch keins. Im Vorgänger konnte man aber auch einfach so am Wegesrand Kräuter pflücken, um damit Tränke zu brauen und auch herrenlose Truhen waren in der Welt verstreut. Also beschließe ich, erst mal die Umgebung nach Dingen abzusuchen, die ich entweder direkt verwenden oder wenigstens zu Geld machen kann. Tatsächlich entdecke ich unweit vom Pier schon die erste Kiste mit etwas Plunder und ein paar Goldmünzen. Auch ein kleines Lagerfeuer lodert vor sich hin, das mir ein paar Rationen einbringt und zwischen den Häusern der kleinen Siedlung finden sich wie erwartet ein paar Kräuter. Überall wuseln Leute umher, die mir ihre Dienste anbieten und zahlreiche Gilden und Läden gibt es auch, aber ich ignoriere das geschäftige Treiben und folge stattdessen weiter dem Strand. Vielleicht findet man ja noch mehr Treibgut oder dergleichen und außerdem lädt so eine Insel ja dazu ein, sie erst mal entlang des Strands zu umrunden.
Es dauert auch nicht lang bis ich an der Steilküste eine richtige Schatztruhe finde. Vom Besitzer ist auch weit und breit nichts zu sehen, aber noch bevor ich überhaupt einen Blick hineinwerfen kann, vernehme ich ein immer lauter werdendes Summen. Nur eine Minute später jagt mich ein Schwarm aus Drachenfliegen den Strand entlang. Mit jedem Meter wird das Summen leiser und als ich wieder am Pier ankomme, ist von den großen Brummern nichts mehr zu sehen. Selbst den kurzen Versuch der Gegenwehr hat meine Truppe nur mit vielen blauen Flecken überstanden und mir wird klar, dass wir wahrlich noch keine Helden sind.
Nach einer kurzen Rast sind alle wieder wohlauf und ich will einen weiteren Versuch wagen. Auf dem Weg zum Strand fällt mir dann auf, dass sich freundlicherweise die Wachen um meine Verfolger gekümmert haben und so kann ich gefahrlos die Kadaver von der Erde auflesen und meinen klammen Geldbeutel etwas auffüllen. Eigentlich eine feine Sache, aber zwischen den toten Monsterfliegen finde ich auch noch ein paar Dorfbewohner, die offensichtlich dem Schwarm zum Opfer fielen als ich quer über die Insel flüchtete…
Ooops.
„Naja, die werden schon nicht wichtig gewesen sein“, denke ich mir und widme mich erneut der Schatzkiste. Diesmal versuche ich, sie von der anderen Seite zu erreichen, in der Hoffnung, dass dort weniger Drachenfliegen lauern. Tatsächlich scheinen es jetzt weniger zu sein und so stelle ich mich dem Kampf. Anfangs kann ich auch ein paar Fliegen aus der Luft holen, aber dann werden es immer mehr und allmählich kommt wieder Panik auf. Hastig nehme ich wieder die Beine in die Hand und ziehe mich in die Nähe der Wachen zurück. Das klappt auch erst ganz gut, aber dann sehe ich, wie ein paar Fliegen erneut die Dorfbewohner ins Visier nehmen. Das Missgeschick vom Vortag kann ich vielleicht noch unter den Teppich kehren, aber noch mehr Kollateralschäden sollte ich als angehender Held wohl doch lieber vermeiden. Also sprinte ich zu der holden Maid in Not und lasse mit meiner mäßig begabten Truppe die Waffen sprechen. Und siehe da, die Fliegen sind erledigt und die Bewohner leben noch. Doch noch bevor ich mir für meine Heldentat auf die Schulter klopfen kann, trifft mich etwas. Ich drehe mich um und sehe, dass es nun nicht mehr nur die Fliegen, sondern auch die Wachen auf mich abgesehen haben. Offenbar habe ich bei meinem Rettungsversuch versehentlich einen Zivilisten getroffen und nun bekomme ich die Quittung für meine rücksichtslose Jagd nach dieser verdammten Schatzkiste.
Ich muss gar nicht erst überlegen, ob ich jetzt von vorn beginne, denn die Wache streckt mich direkt nieder und somit sehe ich schon am zweiten Ingame-Tag die Game Over-Sequenz. Doch das stört mich gar nicht. Stattdessen kann ich nur darüber schmunzeln, wie absurd diese Reise begonnen hat. Might & Magic ist eben eine Sandbox, in der nicht immer alles nach Plan verläuft und ich freue mich schon darauf, für noch mehr Chaos zu sorgen.