Viele Jahre waren Blogs das bevorzugte Medium für all jene Nerds, die der Welt ungefiltert ihre Meinungen zu Games und allem drumherum aufdrängen wollten. Dann kam Youtube und von da an war man nur noch einer von den coolen Nerds, wenn man auch einen eigenen Videokanal mit Minecraft-Let‘s Plays hatte. Als cooler Nerd habe natürlich auch ich so einen Kanal erstellt, aber leider habe ich die Minecraft-Videos vergessen und somit bin ich bei der entscheidenden Zielgruppe der Minderjährigen im Alter von 6 bis 10 Jahren – und allen anderen Zielgruppen – noch immer eher ein Geheimtipp. Das spielt aber sowieso keine Rolle mehr, denn dank Twitch ist inzwischen auch das längst nicht mehr cool genug. Jetzt muss man schon an mindestens fünf Tagen in der Woche für je acht Stunden live verfügbar sein, damit man in der Nerd-Community wenigstens ansatzweise ernst genommen wird.
Da können alte Nerds – also all jene, die sich regelmäßig mit uncoolen Dingen wie Arbeit, Beziehung usw. herumärgern müssen oder so wie ich einfach unfassbar faul sind – leider längst nicht mehr mithalten. Doch damit wollten sich zwei alte Männer – dazu gleich mehr – einfach nicht abfinden und erfanden kurzerhand den Games-Podcast*. Ein Format, durch das man mit minimalem Aufwand wirklich jedem, sei er nun am heimischen PC, in der U-Bahn oder auf der Arbeit, all die Dinge sagen kann, die schon immer über Vidjagamez gesagt werden mussten, aber aus Zeitgründen nie gesagt werden konnten.
*Möglicherweise gab es schon vorher Podcasts über Games
Okay, so gehässig sollte es gar nicht werden und es ist echt in Ordnung, dass jetzt gefühlt jeder in meiner Bubble einen Podcast aufnimmt. Ich habe euch ja trotzdem lieb und obwohl ich lange Zeit so gar nichts mit dem Format anfangen konnte, lausche auch ich mittlerweile regelmäßig euren lieblichen Stimmchen. Naja, also zumindest einigen von euch. Wenn ich ehrlich bin, dann auch nur auf der Arbeit, weil ich da halt nebenbei nix besseres machen kann, aber letztlich doch regelmäßig und nur das zählt, oder? Inzwischen wurde ich sogar selbst für einen Podcast angefragt, aber ich will natürlich nicht das erstbeste Angebot annehmen. Nach dem Text kommt aber vermutlich auch kein anderes mehr, also präsentiere ich euch am besten eine feine Auswahl an Games-Podcasts, die auch ohne meine Wenigkeit ganz okay sind.
Die Podcasts, die sowieso jeder kennt:
Stay Forever – Retro-Games, vornehmlich PC und Heimcomputer
Die zuvor erwähnten alten Männer sprechen in Stay Forever regelmäßig und ziemlich ausführlich über wirklich alte Computerspiele. Gunnar Lott und Christian Schmitt waren viele Jahre bei der Gamestar, was ihnen natürlich einen Vorteil gegenüber all den anderen Podcasts verschaffte, aber das ist nun wirklich nicht der einzige Grund, warum Stay Forever heute einer der erfolgreichsten Games-Podcasts ist. Ich selbst habe die Gamestar zum Beispiel nie gelesen und doch höre ich den beiden seit rund einem halben Jahr sehr gerne zu, wenn sie über alte Spiele reden. Sie recherchieren gründlich und besprechen die Titel wirklich im Detail, so dass man immer auch etwas erfährt, das man noch nicht über die Klassiker wusste. Ich mag dabei aber nicht nur, dass sie auch über Titel sprechen, die ich selbst nie gespielt oder manchmal sogar überhaupt gar nicht kenne, sondern vor allem die Chemie zwischen den beiden. Es sind stets angeregte und oft witzige Unterhaltungen, die einem selbst einen vielleicht eher uninteressanten Titel kurzweilig präsentieren. Mit Fabian Käufer (RBTV) haben sie mittlerweile auch noch einen dritten Caster dabei, mit dem sie – also immer entweder Gunnar oder Christian – Episoden rund um Konsolen-Klassiker aufnehmen. Mir gefallen aus verschiedenen Gründen die anderen Episoden zwar deutlich besser, aber mehr Content schadet ja nicht. Natürlich kann man auch Stay Forever über Patreon finanziell unterstützen und bekommt auf die Art Zugriff auf exklusive Inhalte, aber ich persönlich kenne nur die frei verfügbaren Episoden.
Doomian – Call-in-Format im Stil von Domian, aber für Gaming
Den Fabu kennt manch einer von Superlevel oder seiner Rolle als „Aufpasser“ bei Game Two. Mit Doomian betreibt er schon seit längerer Zeit einen Podcast, der im Prinzip jedem eine Plattform gibt, der irgendwas über Videospiele und vor allem das Drumherum sagen möchte. Genau wie Domian damals beim WDR kennt Fabu weder seine Gäste noch ihr Thema. Die Qualität der Folgen schwankt dementsprechend, aber da es ja nicht live ist, kann man langweilige Anrufer ja auch einfach überspringen. Es ist auf jeden Fall ein spannendes Format bei dem Ausnahmsweise mal nicht ausschließlich weiße, männliche Obernerds zu hören sind und Fabu ist obendrein ein guter Moderator bzw. Zuhörer.
Insert Moin – vornehmlich Besprechungen aktueller Titel, alle Plattformen + gelegentlich Interviews, Messebesuche uvm.
Neben Stay Forever und The Pod ist Insert Moin vermutlich der bekannteste Games-Podcast im deutschsprachigen Raum. Eine Position, die wirklich hart erarbeitet ist, denn Manu und Micha, die man auch von zahlreichen anderen Projekten kennen könnte, liefern JEDEN Tag eine neue Folge ab. Nicht zuletzt aus Zeitgründen teilen sie sich meistens auf und laden sich einen Gast ein, um das Thema zu besprechen. Ein Konzept, das so seine Probleme mit sich bringt, denn ich denke, dass die beiden mit einer niedrigeren Frequenz noch bessere Folgen machen könnten. Gerade bei den Spielbesprechungen denke ich mir doch hin und wieder, dass ich mir auch einfach schnell 1-2 Reviews hätte durchlesen können. Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich ohnehin nicht der allergrößte Fan von Insert Moin bin und mir nur immer wieder einzelne Folgen aus dem enormen – und zu großen Teilen frei zugänglichen – Archiv herauspicke. Ich mag vor allem die Interviews und auch die Hidden Gems-Folgen von Micha kann ich durchaus empfehlen. Besonders Manu hat eine angenehme Stimme und moderiert auf eine entspannte Art.
Games-Podcasts, die nicht jeder kennt, aber trotzdem gut sind:
Echokraut – Final Fantasy / japanische Rollenspiele
Marc und Stefan wollten ursprünglich einfach nur über Final Fantasy 7 quatschen. Das passierte zwar erst in Folge 50 aber den Titel „inoffizieller Final Fantasy-Podcast“ trägt Echokraut dennoch vollkommen zu Recht. Die beiden sind nicht nur keine Games-Journalisten, sie sind sogar ganz offensichtlich Amateure. Es wird geflucht, Objektivität gibt es nicht, die Recherche geht selten über das eigentliche Spielen hinaus und auch sonst getten sie ihre facts nicht immer ganz straight. Trotzdem höre ich so gut wie jede Folge und dabei habe ich schon Jahre kein JRPG mehr gespielt. Die beiden sind mir einfach unheimlich sympathisch. Alles ist total ungezwungen und es hört sich einfach an wie zwei nette Typen, die im Wohnzimmer leidenschaftlich über ihr liebstes Genre schwadronieren. Außerdem haben sie, zumindest für meine Ohren, einfach tolle Podcast-Stimmen. Für alle anderen klingen sie zwar offenbar NICHT wie Farin Urlaub und ein Kumpel von mir, aber für mich halt schon.
Game Dev Podcast – Gespräche über alle Aspekte der Spielentwicklung
Wie der Name schon erahnen lässt, richtet sich der Game Dev Podcast vornehmlich an Menschen, die entweder selbst in der Spielentwicklung tätig sind oder gerne einen Blick hinter die Kulissen werfen. Ein deutsches Trio, von dem zwei aktuell bei Crytek arbeiten, spricht hier regelmäßig mit Gästen aus allen Fachrichtungen über den Entwickleralltag, aktuelle Trends, Erfahrungen und Arbeitsweisen. Dabei ist man stets bemüht, wirklich alle Bereiche mal zu beleuchten. Von Programmierern über Sound-Designer bis hin zu Environment und Visual Effects Artists kommt hier wirklich jeder Fachbereich zu Wort. Wenn man einfach nur gerne spielt und sich so gar nicht für den Entwicklungsprozess interessiert, dann wird man sich hier sicher schnell langweilen. Ich bin zwar auch kein Entwickler und zuweilen verstehe ich auch nur Bahnhof, wenn es ins Detail geht, aber interessant fand ich die Talks allemal.
Kartodis – Interviews mit diversen Leuten aus der Spielergemeinde
Diejenigen von euch, die auch in meiner Twitter- oder Blog-Bubble unterwegs sind, kennen Kartodis vermutlich schon. Er war ursprünglich Blogger und fing dann diesen Podcast an. Darin lädt er sich verschiedene Gäste aus der Spielergemeinde ein, die in irgendeiner Art „Content“ machen. In einer angenehm unaufgeregten Art sprach er u.a. mit Andre Eimann über seine Website Videospielgeschichten.de, hatte eine bekanntere Retro-Streamerin zu Gast und beleuchtete mit Entwicklerin Mandy Jerdes das Thema Serious Games. Leider hat er im Februar aber völlig überraschend einfach sowohl den Blog als auch den Podcast begraben. Im Netz finden sich zwar noch zahlreiche Spuren des Podcasts, aber offenbar sind die Folgen nicht mehr abrufbar. Jetzt fragt ihr euch vermutlich, warum ich ihn dann überhaupt erwähne. Nun, ich hoffe einfach, dass er das hier vielleicht liest und dann wenigstens die alten Folgen wieder ins Netz stellt.
Honorable Mentions:
Durchgespielt – Round-Up mit unzähligen, zumeist eher aktuellen Titeln
Puh, es fällt mir schwer, das jetzt zu schreiben, aber auch nach unzähligen Versuchen werde ich einfach nicht warm mit diesem Podcast. Dabei „kenne“ ich Gwyn und Moepor ja schon lange durch ihre Blogs sowie Twitter und finde sie durchaus sympathisch. Gemeinsam mit Dodo treffen sie sich monatlich, um über all die Spiele zu reden, die sie seit dem letzten Cast an- oder durchgespielt haben. Da kommt wirklich eine ganze Menge zusammen und vielleicht ist auch das mein Problem mit Durchgespielt, denn durch die schiere Masse an Titeln wird alles ziemlich oberflächlich besprochen. Zu Beginn gibt es obendrein immer recht viel Smalltalk, was auch nicht so mein Fall ist. Schlussendlich habe ich dann leider meist das Gefühl weder gut unterhalten worden zu sein noch irgendetwas gelernt zu haben. Ich meine das wirklich nicht böse und die drei kommen auch im Cast total nett rüber, aber das allein reicht mir leider nicht.
Lost Levels – Hauptsächlich Indie-Spiele und Spielkultur
Nach dem etwas überraschenden (zumindest für mich) Ende von Superlevel hat ein Teil des Teams unter Lost Levels eine neue Website gestartet und auch dazu gibt es wieder einen Podcast. Bislang habe ich nur ein paar Folgen gehört und werde ihn wohl auch in Zukunft nicht unbedingt regelmäßig hören, aber die Truppe macht grundsätzlich einen netten Eindruck und die Themen sind deutlich abwechslungsreicher als bei den meisten anderen Casts, die nur über aktuelle Blockbuster reden.
Retrolog – Retro-Games, alle Plattformen
Den Leopold kennt man auch von seinem Blog Retropixels, aber mittlerweile versucht er sich auch als Podcaster. In den kurzen Folgen bespricht er alte Spiele von Heimcomputern und Konsolen. Dabei will er eher einen allgemeinen Eindruck geben als eine tiefgehende Analyse abzuliefern. Ich persönlich tue mich etwas schwer mit Solo-Casts, aber die Folgen sind wirklich kurz, also einfach mal ausprobieren.
Pixelpommes – Retro-Games und Hardware
Auch Karsten von Pixelpommes ist ein Einzelkämpfer, der bevorzugt über alte Spiele spricht. In gleich vier Folgen spricht er aber auch über verschiedene Mods für alte Nintendo-Hardware, angefangen beim Gameboy bis hin zum Nintendo 64.
FUMS und Grätsch – Fußballspiele
Wenn ihr euch jetzt auf FIFA und PES freut, dann muss ich euch leider enttäuschen, denn Max Fritzsching und Michael Strohmeier sprechen bei FUMS und Grätsch über echten Fußball. Das passt hier nicht rein, aber ich liebe diesen Podcast einfach und muss mich bei jeder Folge echt zusammenreißen, um beim Hören auf der Arbeit nicht plötzlich vor Lachen laut loszubrüllen. Wenn die beiden den Bundesliga-Spieltag analysieren, dann lernt man zwar nichts über die Feinheiten dieses wunderbaren Sports, aber erinnert sich immer wieder daran, warum man selbst so gern kickt und am Wochenende den Profis dabei zuschaut.
Vermutlich habe ich jetzt noch den einen oder anderen Podcast vergessen, aber vielleicht gibt es ja irgendwann noch eine zweite Ausgabe zu dem Thema. Bis dahin dürft ihr mir gern eure Favoriten (oder euren eigenen Podcast) empfehlen und vielleicht sagt ihr mir bei der Gelegenheit auch noch, was euch bei einem Podcast wichtig ist.
Eine Sache noch: Wenn ihr in eurem Podcast die ersten zehn Minuten über Alkohol (ob Bier, Wein oder Whiskey) fachsimpeln müsst, dann habe ich schon gar keinen Bock mehr auf den eigentlichen Cast. Anderen scheint das allerdings total gut zu gefallen, also macht einfach weiter so…
3 Antworten auf „Nerds im Ohr – Spiele-Podcasts, die ich mag (und andere)“
He he, habe 2005 schon „Spiele ohne Grenzen“ gehört, als so viele Spieler auf die Wii gewartet haben. Später hatten die Moderatoren einen Einzelhandel (Wunderlampe in Nürnberg). Bin nicht sicher, ob StayForever da auch schon unterwegs waren.
Bin seit 2005 jedenfalls schon intensiver Hörer von Podcasts (überwiegend Spiele) und finde du hast eine schöne Übersicht hier gezaubert. Mit bzw. ohne den Plauschangriff und diesen Alkoholpodcast fehlen theoretisch zwei große aus der deutschen Landschaft, aber dafür gibt es ja auch die iTunes Charts.
Der Game Dev Podcast ist vor allem ein super Newcomer in meinen Ohren, da er einen bisweilen vernachlässigten Bereich abdeckt 🙂
Da bist du ja quasi ein echter Pionier 😀 Ich bin zwar früher großer Fan von Giga Games gewesen, aber irgendwie hat das im Laufe der Jahre deutlich nachgelassen, obwohl ich die neuen Projekte von Simon, Eddi, Budi usw, schon nebenher etwas verfolgt habe. Den Plauschangriff kenne ich daher natürlich auch, aber so richtig toll fand ich bislang keine Folge davon, wenn ich ehrlich bin. Schlecht ist der nicht und vielleicht waren es auch nur die „falschen“ Folgen, aber mich haben sie leider noch nicht packen können.
Vielen Dank für die Erwähnung! 🙂 Das freut mich sehr!