Es gibt Kickstarter, die wecken mit beeindruckenden Screenshots, mitreißenden Trailern und vollmundigen Versprechungen große Hoffnungen bei den Spielern. Und dann gibt es Kickstarter wie Captive Audience, die mit ihrem kostenlosen Prototypen quasi direkt den Beweis liefern, dass sie hier etwas Großes schaffen können.
Schon der Trailer und die Kampagnenseite machten mich neugierig. Spätestens seit Penumbra habe ich eine Schwäche für Story-getriebene Grusel-Adventures aus der Ego-Perspektive und hätte das Indie-Quintett sowieso unterstützt, aber ich hatte nicht erwartet, dass mich der Prototyp regelrecht umhauen würde. In nur einer Stunde hat mich das Team von Captive Minds so tief in seine Spielwelt gezogen, dass ich beim großen Finale einen dicken Kloß im Hals hatte und anschließend erst mal tief durchatmen musste.
Da der Prototyp für jeden zum kostenlosen Download bereitsteht, will ich hier eigentlich gar nicht zu viel verraten, sondern euch viel mehr direkt auf die itch.io-Seite mit dem Prototypen und zur KS-Kampagne weiterschicken. Falls euch das aber doch noch nicht dazu bringt, die rund 700 MB herunterzuladen, folgen jetzt noch ein paar weitere Infos sowie Spoiler.
In Captive Audience findet ihr euch in den Fängen einer kriminellen Medien-Organisation wieder, die über das Dark Web Liveshows ausstrahlt. Wie viele andere auch seid ihr dazu gezwungen, jeden Tag aufs neue aufzutreten und den Anweisungen des Regisseurs zu folgen. Vieles davon ist noch relativ harmlos, wie etwa das Backen eines ekligen Kuchens, bei dem ihr euch absichtlich die Hände verbrennen sollt, ehe ihr das widerliche Zeug auch noch probieren müsst. Für manche Folgen hat sich der Producer aber noch weitaus sadistischere Dinge ausgedacht, die den moralischen Kompass und den Überlebenswillen des Protagonisten ins Wanken bringen sollen. Nach getaner Arbeit sperrt man euch dann wieder in eure Zelle, wo ihr das Erlebte verarbeitet, Kontakt zu Leidensgenossen aufnehmt und nach einer Möglichkeit zur Flucht sucht.
Doch obwohl das ein wenig danach klingen mag, gipfelt die Handlung keineswegs in einfältigen Gewaltorgien im Stile von SAW und all dem anderen Torture-Porn-Abfall. Vielmehr bleibt Captive Audience bewusst subtiler und versucht euch eher bei der Psyche zu packen. Echte Gewalt gibt es eigentlich gar nicht zu sehen. Selbst wenn euch die Wachen mal wieder gewaltsam zurück in eure Zelle schleifen, blendet man ganz bewusst ein Standbild mit Werbung ein und lässt euch mit dem Ton allein. Auch eure Peiniger oder die Leidensgenossen bekommt ihr nie zu Gesicht. Und dank großartiger Synchronsprecher nebst gut geschriebener Texte funktioniert das, zumindest bei mir, unheimlich gut.
Aus mir unerklärlichen Gründen läuft die Kampagne leider bislang alles andere als gut, aber vielleicht geschieht ja noch ein Wunder oder ein cleverer Publisher erkennt endlich das mehr als offensichtliche Potential von Captive Audience. Selbst die 1,2 Mio Videoaufrufe und 5000+ Kommentare bei einem „bedeutenden Influencer“ wie Markiplier sind manchmal wohl einfach nur heiße Luft statt wirklich wertvoller PR. In jedem Fall MÜSST ihr euch mal ein Stündchen Zeit nehmen und den kostenlosen Prototypen spielen, wenn ihr auch nur im entferntesten etwas mit Story-lastigen Spielen anfangen könnt.
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