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Indie Review / Test

Unter Tage hört dich niemand schreien – Lethe (Ep.1) im Test

screenshot lethe episode one strandAls sein Vater stirbt nimmt das Leben von Robert Dawn eine furchtbare Wendung. Jetzt ist er nicht nur allein, sondern auch noch hoch verschuldet und als würde das nicht reichen, findet er zwischen den Habseligkeiten des Vaters auch noch einen mysteriösen Brief, der seine ganze Identität infrage stellt. Vor dem Scherbenhaufen seiner Existenz stehend, beschließt er also, auf einer längst in Vergessenheit geratenen Insel nach Antworten zu suchen.

Obwohl der Anfang von Lethe zunächst eines der vielen Gaming-Klischees bedient (ihr erwacht an einem Strand), wird doch ziemlich schnell klar, dass es ein Projekt mit Persönlichkeit und vor allem Herz ist. Wie auch schon bei den Werken von Frictional Games stehen hier Atmosphäre und die Geschichte an erster Stelle. Zwar ist Lethe ganz klar ein Horror-Game aber auf Jumpscares wird weitestgehend verzichtet und auch sonst geht es eher ruhig zu. Abgesehen von den gelegentlichen Flucht- und Schleichpassagen, in denen ihr völlig wehrlos den Fängen eines unheimlichen Wesens entkommen müsst, seid ihr kaum in ernster Gefahr.

screenshot lethe episode one barrel

Die meiste Zeit erkundet ihr mehr oder weniger in Ruhe die überraschend große Unterwelt der Insel. Einst trieben hier zahllose Minenarbeiter tiefe Stollen in den harten Fels des Eilands, doch damit war Schluss als eine unbekannte Seuche ausbrach. Einige Forscher und Mediziner blieben jedoch und richteten sich tief unter der Erde Laboratorien ein, wo sie an einem Heilmittel arbeiteten.

Die Basis dafür war ein merkwürdiger Pilz, der in den Minen wächst und offenbar mehr als nur heilende Kräfte besitzt. Er verleiht euch später die Fähigkeit, Objekte aus größerer Entfernung zu bewegen (also quasi Telekinese), was ihr jedoch nicht etwa als Waffe, sondern lediglich zur Lösung einfacher Puzzle-Aufgaben nutzt. So betätigt ihr zum Beispiel Schalter, die ihr nicht direkt erreichen könnt oder baut euch aus Gegenständen eine Treppe.

screenshot lethe episode one quartiere

Wirklich fordernd ist keine dieser Spielmechaniken und trotzdem wird es nie langweilig. Der ausgeprägte Sinn fürs Detail und eine großartige Bildsprache sorgen dafür, dass die Wanderung durch den Untergrund auch nach Stunden noch spannend bleibt, obwohl ihr euch die meiste Zeit nur durch die dunklen Stollen einer Mine bewegt. Trotz des streng linearen Aufbaus habt ihr nie das Gefühl, einfach nur durch immer gleiche Gänge und Räume zu laufen. Stattdessen wirken die Umgebungen bis zum Ende ebenso bedrohlich wie faszinierend.

screenshot lethe episode one sonnenlicht

Die engen und finsteren Tunnel sind erstaunlich abwechslungsreich gestaltet und je weiter man ins Erdreich vordringt, desto schauriger wird es. Anfangs sind es subtil platzierte Details, wie etwa eine Leiche hinter einem Zaun, die euch zunächst gar nicht auffällt und von der ihr nicht genau wisst, ob es nicht einfach nur ein Opfer der Seuche war. Und dann wird die Gefahr immer deutlicher, bis ihr schließlich bis zu den Knien in Knochen, Leichenteilen und Blut steht.

Es wirkt zeitweise fast ein wenig so als würde man als eine alternative Alice immer tiefer in eine albtraumhafte Version des berühmten Kaninchenbaus hinabsteigen. Das unterstreichen auch die zahllosen Tagebücher und Notizen, die noch recht harmlos anfangen und zum Ende hin für verstörendes Kopfkino sorgen. Der feine Soundtrack aus der Feder von Jeremiah Pena bleibt zwar meist dezent, um die geheimnisvolle Stimmung des Spiels zu unterstreichen, zögert aber nicht, euch in den richtigen Momenten mit seiner Klanggewalt in Panik zu versetzen.

screenshot lethe episode one waste

Während der Horror-Funke bei Phantaruk zuletzt einfach nicht überspringen wollte, war ich bei Lethe von der ersten Minute an geradezu schrecklich verliebt. Von den ersten Ideen bis zum fertigen Spiel dauerte es zwar gut 5 Jahre, aber trotz der vergeblichen Suche nach einem Publisher, hat das fünfköpfige Team zu keiner Zeit am Feinschliff gespart und das spürt man einfach. Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten, die in Episoden entwickelt werden, funktioniert Lethe auch für sich genommen. Das Ende mag ziemlich viele Fragen offen lassen, aber es ist kein böser Cliffhanger und die Spielzeit ist mit 4 bis 5 Stunden in Ordnung.

screenshot lethe episode one aufgehangen

Fans von eher ruhigem Horror sollten sich davon also bitte nicht abschrecken lassen, denn sonst entgeht ihnen ein echter Rohdiamant. Mit Frictional Games können Koukou Studios freilich noch nicht konkurrieren, aber sie haben sich vom Genre-König einige Tricks abgeschaut. und wenn man ihnen die Chance auf weitere Episoden gibt, dann könnten sie eines Tages zu einer festen Größe werden.

Entwickler: Koukou Studios / Faber Interactive | Publisher: Faber Interactive
Genre: Horror / Adventure / Stealth / 1st-Person | Plattform: Windows
Release: August 2016 | Pad Support: ja | Offizielle Website
Preis: 16,99 € via Steam

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