Seit der Gründung 1994 hat das amerikanische Studio n-Space an über 40 Spielen mitgewirkt, aber der richtige Durchbruch ist ihnen nie gelungen, denn sie schlugen sich vornehmlich mit Auftragsarbeiten und Portierungen für Nintendo-Handhelds durch. Was dabei an Zeit und Geld übrig blieb, investierte man jedoch in eigene Projekte und so entstanden u.a. TigerShark für PS1 und Windows, ein ungewöhnlicher Gamecube-Shooter namens Geist und das Action-RPG Heroes of Ruin für den 3DS. Zuletzt entwickelten sie mit Digital Extremes das CRPG Sword Coast Legends, das im Oktober 2015 erschien und zu ihrem Abgesang wurde. Im vergangenen März verkündete man dann die Schließung, die von der Spielergemeinde weitgehend unbemerkt blieb. Doch es hätte auch ganz anders laufen können, denn Anfang 2007 arbeiteten sie an einem Exklusiv-Titel für Nintendos Wii, mit dem sie beweisen wollten, dass auch düstere Core-Games auf ihr ein Publikum finden.
Winter:
Das erste Jahr der Wii ging gerade mehr als erfolgreich zu Ende und das Team von n-Space war von den neuen Möglichkeiten der Konsole begeistert. Unter dem Namen Winter begann man daher mit der Arbeit an einem Horror-Titel, der eben jene Stärken der Wii zur Geltung bringen sollte. Als Schauplatz diente ein Ort im mittleren Westen der USA, welcher durch einen ungewöhnlichen Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten war. Der Spieler übernimmt die Rolle einer jungen Frau namens Mia, die in einem kaputten Krankenwagen erwacht und sich nicht mehr daran erinnern kann, wie sie in diese Lage geraten ist. Inspiriert von diversen Horror-Klassikern wollte man zurück zu den Wurzeln des Genres, nachdem der enorme Erfolg von Resident Evil 4 dafür gesorgt hatte, dass es zunehmend mit Action-Elementen verwässert wurde.
Auf eigene Ideen wollte man aber trotzdem nicht verzichten und so setzte man nicht nur auf unheimliche Kreaturen und wilde Tiere, sondern machte kurzerhand auch noch den Schneesturm selbst zu einer ständigen Gefahr für den Spieler. Während ihr also durch die verschneiten Straßen stapft, müsst ihr immer darauf achten, wie ihr Mia vor dem Kältetod bewahren könnt. Ob ihr nun mit dem Feuerzeug ein paar alte Lumpen anzündet, Schubfächer nach einem Autoschlüssel durchwühlt oder gar in Star Wars-Manier ein Monster aufschlitzt, um euch mit den Innereien zu wärmen, die Möglichkeiten sind zahlreich und bringen immer wieder neue Steuerungsvarianten ins Spiel. Der endlose Schneefall sorgt außerdem dafür, dass sich die Stadt immer wieder verändert und beispielsweise plötzlich Türen von Schneemassen versperrt werden oder ein vormals unerreichbarer Vorsprung nun doch erklommen werden kann. Auch grafisch sollte Winter zeigen, dass nicht nur die technisch überlegenen Konsolen von Sony und Microsoft atmosphärische Umgebungen auf den Bildschirm zaubern können. Neben den realistischen Wettereffekten sorgt daher auch eine dynamische Beleuchtung für die richtige Gruselstimmung.
Nur wenige Monate nach der ersten Idee hatte ein kleines Team aus etwa 12 Leuten, die zum Teil in Vollzeit an dem Projekt arbeiteten, alle Grundelemente von Winter in einem ersten Prototypen zusammengefügt, aber wenn daraus ein ganzes Spiel werden sollte, brauchte man einen Publisher. In den folgenden Monaten bewarb n-Space das Spiel bei zahlreichen Publishern, doch obwohl die zunächst alle sehr angetan waren, wollte am Ende doch keiner investieren. Trotz der großartigen Verkaufszahlen wurde die Wii von vielen Publishern entweder nicht verstanden oder schlichtweg nicht ernst genommen. Die Marketingabteilungen hatten stets das letzte Wort und die trauten einem solchen Horror-Titel auf der Wii einfach keine guten Verkaufszahlen zu. Sie galt als „Kids-Konsole“ und wenn Entwickler ein Spiel wirklich auf die innovativen Eigenheiten der Konsole zuschneiden wollten, wie eben n-Space, dann schmetterte man die Idee als zu risikoreich ab. Doch wie sollte die Wii beweisen, dass sie mehr als eine Kids-Konsole ist, wenn es keine entsprechenden Spiele gibt?
Diese damals paradoxe Situation der Wii kam auch in einem Interview zur Sprache, das IGN 2009 mit n-Space führte:
„It’s kind of ironic really — you’ve got this console built on innovation, a console written off by many from day one, that now totally dominates the market, and yet many publishers still hesitate to follow suit with innovative games in all genres.“
Dreieinhalb Jahre nach diesem Interview stand die Wii U kurz vor dem Launch und das Team hatte seinen Traum noch immer nicht ganz begraben, wie sie im Gespräch mit Nintendo Everything bekräftigten:
“Frankly, I don’t think the office has ever stopped rumbling about Winter. There’s an intense amount of love among the team for the game. And the more we’ve seen the survival horror genre switch its focus from surviving to reloading, the more we feel the market is hungry for a game like Winter. So what’s the bottom line? The bad news is that we haven’t yet found the right opportunity. The good news is that Winter is just like any good horror movie monster.”
Heute, weitere vier Jahre später, ist das Crowdfunding zwar zu einer bewährten Alternative für kleine und mittlere Studios geworden, aber mit der kürzlichen Schließung von n-Space ist nun auch diese letzte Hoffnung gestorben. Winter war allerdings nicht das erste vielversprechende Projekt von n-Space, das sie nicht zu Ende führen durften.
Duke Nukem: D-Day (aka Man of Valor)
Nachdem sie um die Jahrtausendwende bereits zwei Ableger der damals noch populären Duke Nukem Serie für die PlayStation veröffentlicht hatten, begann n-Space mit der Arbeit an Duke Nukem D-Day, das exklusiv für die Nachfolger-Konsole erscheinen sollte. 3D Realms George Broussard beschrieb den Titel damals so:
“It was a PS2 game where Duke went back in time and was a key factor in all the major WW2 events, and helped turn the tide. Of course it was a kind of alternate reality and there were alien Nazi’s. I wish that game had worked out because it would have been among the very first WW2 games to come out, before you saw one in a week.”
Ursprünglich sollte das Spiel bereits 2000 erscheinen, aber Gerüchten zufolge hatte n-Space damals große Schwierigkeiten mit der PlayStation 2, deren Architektur ja gerade in den ersten Jahren viele Entwickler vor Probleme stellte. Aus diesem Grund zog der Publisher Rockstar Games schließlich 2003 den Stecker.
Wirklich bedauern tue ich nur den Verlust von Winter, denn zu einem guten Horror-Spiel kann ich nicht nein sagen und im Gegensatz zu vielen anderen kann ich mich auch für gut umgesetzte Bewegungssteuerung begeistern. Wer noch mehr über die beiden Projekte erfahren und weitere Bilder sehen möchte, dem empfehle ich die folgenden Links:
Winter:
Duke Nukem: D-Day
*die Screenshots stammen von unseen64 bzw. IGN (siehe Links)
8 Antworten auf „Verlorene Welten: Winter und Duke Nukem D-Day (n-Space)“
Also an Winter konnte ich mich noch erinnern, dass ein weiteres Duke Nukem in Arbeit war, wusste ich nicht. Aber Unseen ist einfach auch eine geniale Fundgrube. 🙂
Moin, dein Twitter-Button zickt wieder rum: die URL wird nicht mit übergeben 😉
Danke für den Hinweis, da hab ich wieder vergessen, dass ich kein &-Zeichen verwenden darf, wenn das funktionieren soll… Muss mir das unbedingt noch mal anschauen und ne Lösung finden.
Bei Duke Nukem gibt es ja viele Geschichten um die Veröffentlichungen bzw. Entwicklung der Spiele. ich erinnere mich da noch an Duke Nukem Forever, welches immer wieder abgeschrieben würde, dann aber doch kam. Winter sieht echt gut aus. Schade, dass nichts daraus geworden ist. Hätte es gerne gespielt. 🙂
Duke Nukem Forever ist sicher das Paradebeispiel für die Entwicklungshölle 🙂 Vielleicht widme ich 3D Realms ja mal eine ganz eigene Ausgabe dieser Serie.
Auch ja! Ich würde mich sehr darüber freuen!
Mir ist Duke Nukem Forever noch als eine der frühesten GameCube-Ankündigungen in Erinnerung (eine andere solche Erinnerung ist übrigens das gecancelte Picassio).
Und Prey hat ja auch eine ähnlich bewegte Geschichte.
Um Winter und n-Space im Allgemeinen ist’s wirklich schade… Geist hatte auch nette Ideen, wurde nur gegen Ende mehr und mehr zum gewöhnlichen Ego-Shooter.
[…] Verlorene Welten: Winter und Duke Nukem D-Day (n-Space) (polygonien.de, Rob aka. Poly) […]