Etwas ist faul im einst so beschaulichen Theaterkönigreich. Der vormals gütige König ist zu einem griesgrämigen Tyrannen geworden. Nichts ist ihm noch gut genug und niemand kann ihm noch etwas recht machen. Getrieben von seinem Schwermut lässt er nach und nach all die Dinge entsorgen, die ihm einst Freude bereiteten. Doch es bleibt nicht bei Kleidern und Kunstwerken, irgendwann lässt er auch treue Bedienstete mit fadenscheinigen Begründungen verbannen. Was nicht mehr gewollt oder in Ungnade gefallen ist, das landet auf der Niederbühne. Der Heimat der Armen und Vergessenen. Und hier beginnt unsere Geschichte.
*Dieser Beitrag wurde für die Betrachtung an einem Monitor und eine Auflösung von 1280*720 (oder höher, Mobile: quer/Landscape-Modus) optimiert

Im ersten Moment erinnerte mich Once Upon A Puppet direkt an Titel wie das PS3-Exklusive Puppeteer oder das in Deutschland entwickelte A Juggler’s Tale. Auch Little Nightmares kam mir in den Sinn. Doch obwohl auch beim Debüt-Spiel vom Indiestudio Flatter Than Earth das (Puppen-)Theater die offensichtliche Inspiration war, setzt es das Thema auf seine ganz eigene Weise um. Das Label des narrativen Puzzle-Plattformers in 2,5D passt ebenfalls, aber im Detail macht es doch ein paar Dinge anders.
Im Zentrum stehen mit Drev und Nieve gleich zwei spielbare Hauptfiguren. Wobei das so nur die halbe Wahrheit ist. Nieve ist wortwörtlich eine Helfende Hand – im Theaterjargon Stagehand genannt – und eine Weberin. Sie ist ebenfalls vom König verbannt worden und kurz darauf trifft sie auf die Holzpuppe Drev. Beide verheddern sich dabei in magischem Garn und sind fortan ein unzertrennliches, aber auch widerwilliges Duo. Man spielt also beide gleichzeitig.
Teamwork statt Bindungsangst

Um das ungewollte Bündnis wieder aufzulösen, reisen sie durch die Niederbühne und suchen nach Hilfe. Unterwegs wird ihnen jedoch klar, dass ihre Verbindung, so ärgerlich sie auch zunächst sein mochte, Schicksal war. Mit gemeinsamen Kräften müssen sie dem seltsamen Verhalten des Königs auf den Grund gehen und auch dem gefürchteten Schattenkönig mit samt seiner Armee Einhalt gebieten. Mit Hilfe einer alten Dame, dem sagenumwobenen Orakel, springen sie schließlich in verschiedene Bühnenspiele, welche die Erinnerungen der Königsfamilie widerspiegeln.
Dabei zeigt sich auch, dass es durchaus Vorteile hat, durch das magische Garn verbunden zu sein. Als schwebende Hand ohne eigenen Körper kann Nieve nicht so viel tun und auch Drevs hölzerner Körper ist eigentlich kein Heldenmaterial. Gemeinsam sind sie jedoch, nach und nach, zu allerlei Tricks fähig. Sie können beispielsweise höher springen, sanft zu Boden gleiten, sich über Abgründe schwingen und manche Hindernisse einreißen. Zudem finden sie auf dem Weg auch noch einen Bogen, einen Eispickel und ein tragbares Bühnenlicht. Letzteres braucht man, um die gelegentlich auftauchenden Gegner auszuschalten und die Spielwelt von einer, nennen wir es mal Infektion, zu reinigen.
Letztlich sind sowohl die Fähigkeiten als auch die Ausrüstung aber sehr strikt an bestimmte Herausforderungen und allgemein an das Leveldesign gekoppelt. Wer hofft, hier experimentieren und verschiedene Spielweisen anwenden zu können, der wird ein wenig enttäuscht sein. Natürlich hat auch Once Upon A Puppet eine Reihe von Collectibles, für die man zum Teil etwas vom Pfad abweichen muss, aber es ist schon ein sehr lineares Spiel. Verglichen mit den eingangs erwähnten Titeln und vielen anderen Plattformern dieser Art bietet es aber zumindest insofern Freiheit, als es eben nicht immer nur stur von einer Seite des Bildschirms zur anderen geht. Soll heißen, der Weg durch die zahlreichen Kulissen führt immer wieder auch in die Tiefe des Raumes, nach oben über Dächer und auch nach unten. Es sind eben immer Bühnen oder zumindest einer Bühne ähnliche Umgebungen und auf der bewegen sich die Darstellenden ja auch frei im – wenn auch kleinen – Raum.




Ein Märchen für die ganze Familie
Sowohl die Hüpferei als auch die Puzzle, wenn wir sie denn so nennen wollen – sind nicht wirklich eine Herausforderung. Gelegentlich muss man einen der – sehr fair verteilten – Checkpoints auch ein zweites oder drittes Mal laden und manchmal muss man einen Moment überlegen, wo bzw. wie es weitergehen soll, aber das Spiel will euch ganz bewusst keine allzu großen Steine in den Weg legen. Dem Entwicklerteam ist es wichtiger, den Spielenden einen gemütlichen Spielfluss zu bieten und sie scheuen sich auch nicht, ihrem Werk ganz offiziell den Casual-Stempel zu verpassen. Genau wie die märchenhafte Geschichte, die direkt einem Kinderbuch hätte entsprungen sein können, soll das Spiel ganz bewusst einem breiten Publikum, von sehr jung bis alt, gerecht werden.
In einem Interview erzählte ein Teammitglied, man wollte: „dass es sich wie eine große Bühnenproduktion anfühlt, mit Beleuchtung, wechselnden Bühnenbildern und dramatischem Storytelling“. Und das ist ihnen mit Once Upon A Puppet zum großen Teil auch gelungen. Die Inspiration ist an vielen Ecken zu sehen und zu fühlen. Gerade jüngere Spieler*innen dürften der zauberhaften Präsentation schnell verfallen, was es zu einem idealen Titel für ein paar gemütliche Eltern-Kind-Abende macht. Doch auch ich, als mürrischer Mittdreißiger mit Katze statt Kind, konnte dem mit Charme und viel Liebe inszenierten Videospiel-Märchen viel abgewinnen, trotz der insgesamt eher trivialen Mechaniken. Ein solides Debüt in einem mittlerweile sehr stark besetzten Genre. Nur der Preis ist verglichen mit der direkten Konkurrenz vielleicht einen kleinen Tick zu hoch.


Plattform: PC, PS5, Xbox Series, Switch (Anfang Juni)
Release: 23. April 2025
Entwickler: Flatter Than Earth
Publisher: Daedalic Entertainment
Genre: Plattformer, Puzzle, Indie, Casual
Tags: Cozy, Theater, Märchen, 2.5D
Preis: 24,99 €
Meine Spielzeit: ca. 7,5h
Steam Deck: Verified
*Ich hatte bei meinem Durchgang ein paar kleinere Bugs und Clipping-Fehler, aber nichts, was wirklich schlimm gewesen wäre. Es gibt außerdem wohl noch ein paar Probleme bei den Steam-Achievements, aber ich vermute, dass man bald nachbessern wird.
*Für dieses Review hat mir der Publisher Daedalic Entertainment freundlicher Weise einen Review-Key zur Verfügung gestellt.
*Interview bei GameRant
2 Antworten auf „Once Upon A Puppet – Märchenstunde“
Ha, da biste uns diesmal zuvor gekommen. Simone wird ihren Text wohl nächste Woche liefern. Was ich von ihr so höre, seid ihr zwei da ziemlich auf einer Linie.
Bin gespannt, ob sie vielleicht meine Vermutung vom idealen „Eltern-Kind-Spiel“ bestätigt 🙂