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Review / Test

Alien: Rogue Incursion – VR-Panik

Alien Isolation gilt für viele noch immer als das mit Abstand beste Spiel zum legendären Sci-Fi-Franchise. Das ist auch meine Meinung und mit der später veröffentlichten VR-Mod wurde es sogar noch furchteinflößender. Trotzdem haben VR-Fans immer gehofft, dass es irgendwann einen Ableger gibt, der wirklich von Grund auf für Virtual Reality entwickelt wurde. Die VR-Experten von Survios (u.a. Creed: Rise to Glory und Raw Data) teilten diesen Wunsch und so erarbeiteten sie ein Konzept für Alien: Rogue Incursion, das schließlich auch die 20th Century Studios überzeugte.

*Dieser Beitrag wurde für die Betrachtung an einem Monitor und eine Auflösung von 1280*720 (oder höher, Mobile: quer/Landscape-Modus) optimiert.

Geleitet von vielen Grundsätzen, die auch schon Alien: Isolation zu einem echten Fan-Liebling machten, stellt auch das VR-Debüt eine unbeugsame Heldin, das ikonische Art-Design und natürlich das ultimative Film-Monster in den Vordergrund. In der Rolle der abtrünnigen Colonial Marines-Soldatin Zula Hendricks reist man zu einer geheimen Forschungsstation auf dem unwirtlichen Planeten Purdan. Zula hat zuvor einen Hilferuf von einem alten Freund erhalten und befindet sich ohnehin auf einem persönlichen Kreuzzug gegen die Corporations und ihre Experimente.

Die Rettungsmission steht jedoch von Beginn an unter keinem guten Stern. Am Zielort herrscht erst Funkstille und dann sorgt das Sicherheitssystem der Basis auch noch für eine Bruchlandung. Während Zulas Freund, der Android Davis, sich um die nötigen Reparaturen am Schiff kümmert, erkundet man vorerst allein die gespenstische Station. Von den vielen Menschen, die dort eigentlich arbeiten sollten, fehlt zunächst jede Spur und die wenigen Androiden sind inaktiv. Schnell merkt man jedoch, dass man dennoch nicht allein ist.

Laden und entsichern

Rogue Incursion ist zwar kein klassischer Shooter, aber dem ersten Xenomorph begegnet man dann doch recht schnell und von da an sind sie im Grunde auch ständige Begleiter. Anders als bei Isolation, wo man die direkte Konfrontation um jeden Preis vermeiden muss, gehört sie hier fest zum Gameplay-Loop. Völlig egal, wo man sich gerade befindet, das nächste Alien lauert eigentlich immer nur ein paar Gänge weiter. Was jedoch nicht heißen soll, dass in Rogue Incursion ständig nur geballert wird. Es ist vielmehr so, dass die Überfälle der Aliens gewissermaßen intervallartig stattfinden. Man erkennt nach einer Weile ein Muster im Spielablauf: Erst erkundet man für einige Minuten ungestört Gänge und Räume, dann meldet sich der Tracker und ein bis drei Aliens klettern nacheinander aus Luftschächten oder durch Fenster. Wenn man die erfolgreich abgewehrt hat, darf man sich wieder für eine kurze Weile der Erforschung und dem nächsten Missionsziel – gehe dorthin, suche das oder aktiviere jenes – widmen. Natürlich gibt es auch regelmäßig Situationen, in denen man wissentlich die Aufmerksamkeit der Aliens auf sich zieht. So muss man beispielsweise an mehreren Punkten große Tore schließen oder die Schotts der Fenster aktivieren und auf derlei Lärm folgt immer ein Angriff.

Das mag deutlich vorhersehbarer sein als beim heiligen Gral der Alien-Games, aber das hat der Intensität jeder einzelnen Begegnung mit den Xenomorphs nicht geschadet. Wann immer ich den Tracker in die Hand nahm und die Biester kommen hörte, war ich extrem angespannt. Denn obwohl ich hier Pulse Rifle, Shotgun und Revolver zu meiner Verteidigung hatte, zeigte mir das Spiel schnell, dass es wenig Raum für Fehler lässt und Speichern darf man obendrein nur in bestimmten Räumen. Ein einzelnes Alien ist gut machbar, solange es einen nicht überrascht, aber wenn zwei gleichzeitig attackieren und das womöglich auch noch aus unterschiedlichen Richtungen, dann kann es je nach Situation schon sehr brenzlig werden. Dabei hat man stets im Hinterkopf, dass man erledigt ist, sobald einen auch nur eines der Biester erreicht. Längere Gegnerwellen – die ausschließlich durch die Story getriggert werden – sind selbst mit vermeintlich großem Abstand gefährlich, weil ein Magazin definitiv nicht reicht und zum Nachladen nur wenig Zeit bleibt.

Die Panik ist da

Dass die Gefechte derart nervenaufreibend und gefährlich sind, obwohl man es stets nur mit einer handvoll Gegnern zu tun hat, ist für mich zuvorderst der Magie von VR zu verdanken. Es ist aber nicht nur die Tatsache, dass man näher am Geschehen ist und sich potentiell leichter in dieser unheimlichen Sci-Fi-Welt verlieren kann. Es ist einfach auch mechanisch eine ganz andere Erfahrung, wenn es eben nicht reicht, nur eine Taste zu drücken, sobald man nachladen oder die Waffe wechseln will. Ob man nun zur Hüfte greift und Munition nimmt, um Projektile einzeln in Shotgun oder Revolver zu schieben oder zur Schulter greift, um die Pulse Rifle zu ziehen: all diese Vorgänge dauern einen kleinen Moment und wenn man an die falsche Stelle greift, steht man mit leeren Händen da. Klettern in dem Moment direkt vor euch zwei Aliens von der Decke, dann macht sich Panik breit. Eine Emotion, die man mir in dieser Intensität nur schwer mit Gamepad bzw. Maus & Keyboard entlocken kann.

Auch die sehr typischen VR-Mechaniken wie Klettern, das Werfen von Objekten oder das Durchsuchen von Schränken und Kisten nach wertvoller Ausrüstung werden erst durch VR zu etwas, das man ganz bewusst und gerne macht, statt im Vorbeigehen eine Taste zu spammen.

Fan-Service, aber auch nicht mehr

Zugleich muss ich aber auch sagen, dass Rogue Incursion verglichen mit manch anderen VR-Games fast etwas zu konventionell wirkt. Die Bedienung der zahllosen Terminals fällt simpel aus und abgesehen von Schaltkästen, bei denen man ein paar Kabel umsteckt, gibt es weder Puzzle noch sonst irgendeine wirklich einfallsreiche Interaktion mit der VR-Welt.

Das darf man aber wohl getrost schon als Nitpicking betrachten, denn die Überwiegende Mehrheit der Spieler*innen dürfte bei einem Alien-Spiel andere Prioritäten setzen. Die typische Alien-Atmosphäre ist für mich zu jeder Zeit da und grafisch ist man recht nah an der Vorlage. Der legendäre Look mit allerlei retro-futuristischer Technik und kalter, industrieller Architektur, wie man sie vor allem aus dem zweiten Film kennt, ist erneut mit Liebe zum Detail nachgebildet worden. Einige Szenen tief im Inneren des Alien-Hives gehören dabei definitiv zu meinen persönlichen Highlights im ganzen Kosmos der Alien-Games. Die visuelle Perfektion eines Alien Isolation und die schiere Größe einer Sevastopol erreicht Rogue Incursion zwar definitiv nicht, aber der Vergleich ist auch nicht ganz fair. Creative Assembly hatten damals sowohl mehr Ressourcen als auch Zeit und vor allem ist es ungleich schwerer, in VR eine gute Balance aus Detailgrad und Performance zu erreichen.

Aliens Defiance: Zulas Erstkontakt

Colonel Zula M. Hendricks ist keine Erfindung von Survios, sondern bereits ein etablierter Charakter im Alien-Universum. Sie ist u.a. die Hauptfigur in der Comic-Reihe Aliens Defiance, die von Brian Wood geschrieben und ab 2016 in zwölf Ausgaben von Dark Horse veröffentlicht wurde. Das USCMC schickte Sie und ihr Team auf das vermeintlich verlassene Schiff Europa, um es für Weyland-Yutani zu sichern. Dort traf sie zum ersten Mal auf die Aliens und entkam nur knapp mit dem Leben. Seither hat sie es zu ihrer Lebensaufgabe gemacht, die Bedrohung durch die Aliens einzudämmen und Weyland-Yutani ans Bein zu pissen.
– Aliens Defiance Library Edition mit den Volumes 1 & 2 bei Dark Horse

Die Performance ist auch mein größter Kritikpunkt. Ein Blick auf die Steam-Reviews und in die Foren zeigt, dass die PC-Version bei vielen Leuten Probleme macht. Dabei spielt es offenbar keine sehr große Rolle, welche Hardware und welche Einstellungen verwendet werden. Bei mir war es (RTX 3070, Ryzen 7 5700X3D, 32GB, Rift S) gut spielbar, solange ich bei mittleren Grafik-Einstellungen blieb. Gegen Ende des Spiels hatte ich jedoch wiederholt Crashes, die zum Teil wohl auf ein SteamVR-Update zurückzuführen waren, sich aber bislang nicht endgültig abstellen ließen. Gleichwohl gibt es aber auch Berichte, wo es offenbar einwandfrei lief. Der letzte Patch ist drei Monate her und ich rechne aktuell nicht damit, dass diesbezüglich noch viel passiert. Wenn ihr die Wahl habt, würde ich daher zur Version für Playstation VR2 raten. Ansonsten würde ich es einfach mal ausprobieren und notfalls von Steams Rückgabe-Option Gebrauch machen.
Und wenn ich schon beim Kritisieren bin, sei noch erwähnt, dass mir die Handlung zu dünn war. Im Grunde ist es mit „Get in, Get out“ schon erzählt. Man trifft keine Menschenseele und die üblichen Text- sowie Audiologs sind meist uninteressant. Allerdings ist das ein Makel, den ja leider fast alle Alien-Spiele teilen. Ein Lichtblick war hingegen die Beziehung zwischen Zula und ihrem Androiden-Buddy Davis.

Nein, Alien: Rogue Incursion ist am Ende nicht das neue Alien-Spiel, mit dem sich fortan alle anderen messen müssen. Trotzdem hat Survios das Xenomorph erfolgreich in die Virtual Reality übertragen und eine spielenswerte Erweiterung des Franchise geschaffen. Abgesehen von Isolation hat bisher kein anderer Videospiel-Auftritt der Aliens bei mir eine derart intensive Panik auslösen können und ein paar Szenen werden mir noch lange im Gedächtnis bleiben.

Plattform: Steam VR, PSVR2, Quest 3
Release: 19. Dezember 2024
Entwickler: Survios
Publisher: Survios
Genre: VR, Horror, Shooter
Tags: Sci-Fi, Panik
Preis: 38,99 €
Meine Spielzeit: ca. 10h

Website | Steam | Trailer
PS Store | Meta Store

Unter dem Namen Alien: Rogue Incursion Evolved Edition wurde kürzlich auch eine Version ohne VR angekündigt. Diese kann meiner Meinung nach aber nur funktionieren, wenn man das Gameplay deutlich umbaut, was vermutlich in einem simplen Shooter enden wird. Voraussichtlich im September wird man ausprobieren können, wie sich die Version unterscheidet. Ich würde eher zum VR-Erlebnis raten, wenn ihr die Option habt, aber wenn Survios auf die Weise Part 2 finanzieren kann, soll es mir recht sein.

*Für dieses Review hat mir Survios bzw. deren PR-Agentur freundlicher Weise einen Review-Key zur Verfügung gestellt.

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