Tief im Untergrund eines fernen Planeten lebt ein Volk von insektenartigen Wesen. Eine Zivilisation, die sich über Jahrhunderte entwickelt und perfekt an das Leben in den gigantischen Höhlen angepasst hat. Doch nun ist es Zeit, den Weg an die Oberfläche anzutreten. So, wie es in den alten Mythen prophezeit wurde.
Im 2014er The Hive, dem einzigen Spiel des finnischen Indie-Teams Skydome, spielen wir quasi den Hive Mind, also das kollektive Bewusstsein dieses Insektenstaates. Unter unserer Führung soll das Volk expandieren und schließlich aus dem Erdreich emporsteigen. Wie in einem klassischen Echtzeit-Strategie-Spiel folgen also alle Kreaturen unseren Befehlen, die wir aus einer leicht angeschrägten Vogelperspektive erteilen. Unsere Arbeiter-Drohnen stampfen für uns Gebäude und Kasernen aus dem Boden, bauen wertvolle Rohstoffe ab und beschaffen Nahrung für unsere Truppen.
Das große Krabbeln
Letztere bilden auch in dieser Entomologen-Variante eines RTS wieder den Kern des Spiels. Während unsere Arbeiter die meiste Zeit ohne unser Zutun ihren Aufgaben nachgehen, verbringen wir die meiste Zeit mit dem Befehligen unserer vielbeinigen Streitmacht. Verglichen mit bekannten Genre-Vertretern ist die Auswahl zwar recht übersichtlich, aber die üblichen Typen sind alle da. Günstiges Kanonenfutter für den Nahkampf, „Schützen“ für den Fernkampf und verschiedene Varianten von schweren Einheiten, die zwar etwas träge sind aber dafür gut austeilen und einstecken können. Auch Support-Einheiten gibt es. Wie eine Königin, die andere Einheiten etwas stärker machen kann und zudem wie eine Art mobile Kaserne zusätzliche Einheiten produzieren kann. Und natürlich darf auch die übliche Sanitäter-Einheit nicht fehlen.
Trotz des eher ungewöhnlichen Settings bleibt The Hive also in vielen Aspekten doch recht nah am bewährten Konzept des klassischen RTS. Und zwar so sehr, dass sich gerade Genre-Veteranen wohl schnell unterfordert fühlen werden. Auf dem Weg durch die Unterwelt trifft man auf die immer gleichen Stämme von Humanoiden, die einem mit ihren wenigen Truppen selten Gründe für eine etwas ausgefeiltere Vorgehensweise liefern. Im Grunde habe ich fast das komplette Spiel mit der immer gleichen Taktik gearbeitet. Mit einer kleinen Gruppe schwerer Einheiten habe ich einzelne oder maximal kleinere Gruppen von Gegnern in einen Kampf verwickelt und dann von außen mit ein bis zwei Dutzend Schützen einen ziemlich tödlichen Projektil-Hagel auf sie niederregnen lassen. Anschließend ging es entweder zurück zum Hive, um alle kostenlos heilen zu lassen oder ich habe noch einen kleinen Trupp Medic-Bugs mitgenommen.
Etwas RPG zu ihrem RTS?
Das hat die meiste Zeit über hervorragend funktioniert und lediglich bei den verschiedenen Boss-Kämpfen musste ich gelegentlich mal etwas improvisieren oder mich gar zurückziehen. Ich selbst habe es auf normal durchgespielt, aber ich vermute stark, dass es auch auf den beiden höheren Stufen nicht unbedingt komplexer wird, sondern einfach nur etwas stressiger.
Ameisen-Krieg
Schon 2000 verknüpfte Microids in Imperium der Ameisen das RTS-Genre mit Insekten. Doch es dauerte bis 2017, ehe mit Empires of the Undergrowth wieder ein ambitionierterer Titel diese Idee aufgriff. Vor wenigen Tagen erschien sogar eine Art Reboot von Empire of the Ants, das mit sehr realistischer Grafik und einem mehr Action-orientierten Ansatz punkten will.
„Boss-Kämpfe?“ Ja, ihr habt richtig gelesen. The Hive hat auch ein paar Elemente, die es, abgesehen vom Insekten-Thema, vom üblichen RTS abheben sollen. So gibt es zum einen in den Reihen der konkurrierenden Stämme auch immer ein paar hochrangige Einheiten, die nicht nur größer sind, sondern auch entsprechend mehr aushalten und härter zuschlagen. Vom Verhalten her sind sie aber kaum anders als ihre Kollegen. Bei den richtigen Boss-Kreaturen wie dem Riesenskorpion oder der Monsterkrabbe sieht die Sache schon anders aus. Neben ihrer schieren Größe und sehr viel Lebensenergie, haben sie auch individuelle Attacken auf Lager. Manche spucken große Projektile, andere lassen mit ihren Schlägen sogar Trümmer von der Decke stürzen und sie alle können mit ihren Angriffen auch gerne mal eine halbe Armee ausschalten, wenn man seine Einheiten nicht rechtzeitig aus der Gefahrenzone holt. Ebenfalls eher ungewöhnlich sind die einfachen Rollenspiel-Elemente. In Schatzkisten und manchmal auch in den Überresten gefallener Gegner finden sich diverse Ausrüstungsteile, mit denen man die Werte einzelner Einheiten verbessern kann. Neben mehr HP und dergleichen geben einige davon auch zusätzliche Eigenschaften wie Vampirismus oder Giftattacken. Obendrein müssen hin und wieder auch mal sehr simple Puzzle-Aufgaben gelöst, Schalter aktiviert oder Quest-Gegenstände gesucht werden. Spielerisch interessant ist das nicht wirklich, aber es lockert die Missionen etwas auf und unterstützt den narrativen Fokus des Spiels.
Technisch riss das Spiel sicher auch schon beim Release 2016 keine Bäume aus, aber ich finde, gerade für ein RTS ist es dennoch ganz hübsch anzuschauen, was nicht zuletzt an der Farbpalette, den teils coolen Charakter-Designs und dem frischen Setting liegen dürfte. Leider unterscheiden sich die einzelnen Missionen rein optisch nur wenig voneinander, sodass sich der Look mit der Zeit dann doch auch etwas abnutzt. Ein paar kleinere Bugs (haha) hatte ich zudem leider auch noch.
The Hive ist zweifellos ein eher seichtes RTS, welches das große Potential seiner Grundidee leider nur im Ansatz nutzt. Es könnte daher gerade Genre-Veteranen wohl etwas langweilen, aber ich habe die rund 10 Stunden doch recht gern mit meiner Insekten-Armee verbracht. Wenn euch das Setting gefällt und ihr Lust auf etwas Casual-Strategie habt, ist es definitiv einen Versuch wert. Es ist eigentlich ständig irgendwo für 7,49 € im Sale 😉