Schon vor 10 Jahren warb das australische Indie-Team Blowfish auf Kickstarter um Unterstützung für Gunscape, das sowohl als Tool als auch als eine Hommage an die (Konsolen-) Shooter der 90er und frühen 00er Jahre gedacht war. Das recht moderate Ziel wurde zwar deutlich verfehlt, aber das Projekt lebte weiter und erschien 2016 als Early Access auf Steam und auch auf den Konsolen. Doch während das Build & Play-Konzept bei Titeln wie Little Big Planet oder Wario Ware D.I.Y. in jeder Hinsicht für Spaß sorgte, scheitert Gunscape leider an (fast) allen Fronten. Die Basics scheinen alle da zu sein, aber wenn man sich dann mal intensiver damit beschäftigt, merkt man schnell, dass es eben doch etwas mehr braucht, um sowohl als Creation Tool als auch als Spiel zu funktionieren.
*Dieser Beitrag wurde für große Bildschirme und eine Auflösung von 1280*720 (oder höher, Landscape-Modus auf Mobile) optimiert
Auf den ersten Blick dürfte Gunscape gerade bei älteren Spieler*innen bzw. Retro-Fans ein paar Pluspunkte sammeln, denn mit seinen grobschlächtigen Figuren, dem simplen Layout und den verpixelten Texturen weckt es durchaus Erinnerungen an den Beginn der Boomer-Shooter-Ära. Auf den Screenshots im Store lassen sich auch mit wenig Fantasie deutliche Parallelen zu großen Klassikern wie Wolfenstein, der Quake-Reihe oder Turok erkennen, aber sowohl mechanisch als auch inhaltlich wirkt Gunscape neben diesen Titeln bestenfalls wie ein Prototyp oder eine frühe Demo.
Es gibt zwar eine offizielle Story-Kampagne mit 8 Missionen, die quasi als Showcase für die Features des Editors gedacht ist, aber die fühlt sich nur wie eine recht wahllose Abfolge von Korridoren und Räumen an. Hier von einer Spielwelt zu reden wäre schon zu viel gesagt. Die zumeist recht unbedarft in der Gegend herumstehenden Gegner reichen von typischen Wolfenstein-Soldaten über Roboter und fliegende Cyborgs bis zu Raptoren. Die wollen euch natürlich auch alle mit unterschiedlichen Utensilien zur Strecke bringen, aber eines haben alle gemein: sie sind ziemlich dumm und haben ein sehr statisches Verhalten. Hinzu kommt, dass sich das ganze Handling etwas zu floaty anfühlt und es den Waffen auch irgendwie an Wumms fehlt. Und so fühlen sich die Kämpfe schon nach wenigen Maps äußerst stupide an, was durch die sehr simple Levelarchitektur nur noch verschlimmert wird.
Block & Roll – Der Editor
Was mich zum ursprünglichen Selling Point von Gunscape bringt: Map Creation. Der Ansatz war ganz klar, dass alle den Editor ohne Vorwissen bedienen und eigene Level bauen können. Und das ist ihnen durchaus gelungen, aber der Preis dafür war der komplette Verzicht auf Komplexität und kreative Freiheit. Alles basiert auf einem extrem einfachen Blocksystem und damit meine ich nicht etwa sogenannte Tiles sondern wirklich massive Würfel. Wie in Minecraft und den diversen Klonen klebt ihr einfach zahllose Blöcke aneinander. Dabei habt ihr zwar verschiedene Texturen zur Auswahl, aber die Größe oder gar Form dürft ihr nicht verändern. Ein paar simple 45°-Schrägen sind das höchste der Gefühle. Ist das grobe Block-Layout dann fertig, dürft ihr den Level noch mit einer handvoll Spezial-Objekten (Statuen, Terminals, Mobiliar) dekorieren, Items verteilen und simple Trigger (Türöffner, bewegliche Plattformen etc.) sowie Beleuchtung festlegen.
Das ist am Ende kaum mehr als man damals beispielsweise mit dem Map Maker in der Time Splitters-Reihe machen konnte (Time Splitters hat sogar mehr Modi) und das zeigt sich dann auch bei den Community-Maps, die sowohl visuell als auch spielerisch schnell langweilen. Zugänglichkeit in allen Ehren und als allererster Kontakt mit einem Map-Editor ist das vielleicht auch okay, aber was bringt das, wenn man damit einfach nichts bauen kann, das man wirklich spielen möchte?
Ehemalige Rare-Entwickler gründeten 1999 Free Radical Design und erschufen mit Time Splitters eine legendäre Trilogie aus Konsolen-Shootern. Schon Teil 1, der als Launch-Titel für die PS2 erschien, hatte einen Map Editor dabei. Dieser wurde mit jedem Teil noch komplexer.
Fun Fact: In Homefront: The Revolution ist Teil 2 als Easter Egg enthalten.
Mom: We have GoldenEye & Quake 2 at home
Wie eingeschränkt die Möglichkeiten wirklich sind, zeigen die verschiedenen Versuche der Community, legendäre Klassiker in Gunscape nachzubauen. Die Vorbilder wie GoldenEye oder Quake 2 sind dabei zwar für alte Hasen durchaus wiederzuerkennen, aber die Nachbauten können den Originalen weder optisch noch vom Spielspaß her auch nur ansatzweise das Wasser reichen. Für ein Tool, das gut zwei Jahrzehnte nach diesen Klassikern erschienen ist, finde ich das dann doch etwas enttäuschend. Ich habe mir einfach mal die Mühe gemacht und ein paar Screenshots zum Vergleichen zusammengestellt. Dabei möchte ich betonen, dass ich damit aber nicht den Community-Mappern einen Vorwurf machen und ihre Arbeit in den Schmutz ziehen möchte. Mit schlechtem Werkzeug kann man eben nicht gut arbeiten.
GoldenEye at home
Der N64-Klassiker von Rare war für unzählige Konsolen-Spieler*innen der erste Kontakt mit Ego-Shootern und genießt bis heute absoluten Kult-Status. Seit der Veröffentlichung 1997 haben Fans das Spiel in diversen anderen Spielen und Engines nachgebaut. Eines meiner Highlights ist die HL2-Mod GoldenEye-Source, über die ich 2012 geschrieben habe. Auch in Gunscape haben sich einige daran versucht, aber selbst Hardcore-Fans dürften an diesen „Demakes“ wenig Freude haben.
PS: Für die N64-Screens habe ich auf Videos von GoldenEye-Experte Graslu00 zurückgegriffen.
Quake 2 at home
Auch id Softwares Quake-Reihe wurde damals aufwändig auf Konsolen portiert, die meisten verbinden damit aber wohl doch eher PC-Gaming. Der zweite Teil erschien ebenfalls 1997 und genau wie GoldenEye markierte es einen neuen Meilenstein im Shooter-Genre. Die aktivere Community hat heute zwar eher der Serien-Vater, aber durch das kürzliche Nightdive-Remaster sowie das erstaunliche Ray-Tracing-Update war der zweite Teil in den letzten Jahren auch im Mainstream immer wieder Thema.
Der Lichtblick: 8-Player-Splitscreen
Was Gunscape dann doch noch ein Stück weit rettet, ist der Splitscreen-Modus. Bis zu acht (8!) Leute können sich an einem System in Koop, Deathmatch und Team-Modi austoben. Da ist es dann auch egal, ob die KI was taugt und auch die Qualität der Maps oder das Handling sind nicht mehr ganz so wichtig, wenn sich dafür endlich mal wieder die seltene Chance auf hitzigen Couch-Multiplayer bietet.
2 Antworten auf „Gunscape – Baby’s First Map Editor“
Ganz cooler Artikel, besonders die Nachbauten haben mir super gefallen.
Ich bin eigentlich im Egoshooter-Genre überhaupt nicht zu Hause, aber die Idee von Spiele-Baukästen hat mich immer schon enorm fasziniert.
Hast du dich denn da zufällig auch mal mit einer der vielen Versionen des RPG Makers beschäftigt? Würde bei deiner Genre-Vorliebe ja ziemlich Sinn ergeben 🙂