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Indie Review / Test

Mit Mikrofon auf Geisterjagd: Sylvio im Test

teaser sylvio stroboskop ghost giant sJuliette Waters ist Geisterjägerin, doch Energiestrahler und Protonen-Pack gehören nicht zu ihrer Ausrüstung. Stattdessen setzt sie auf Mikrofon und Tonbandgerät, mit deren Hilfe sie versucht, die Geister zu kontaktieren und ihnen den Weg ins Licht zu weisen. Das verlassene Saginaw Erholungsgebiet ist dafür geradezu prädestiniert, denn auf dem riesigen Gelände spielten sich im Laufe der Jahrhunderte viele Tragödien ab und so manche Seele irrt dort noch immer umher.

In der Rolle von Juliette schnappt ihr euch also eure Ausrüstung und schleicht euch auf das Gelände. Die hohe Mauer habt ihr schnell hinter euch gelassen, aber die nun folgende Suche nach den Bewohnern der Zwischenwelt wird nicht so einfach. Große Teile des Geländes wurden vor langer Zeit bei einem Erdrutsch begraben und rötliche Nebelschwaden erschweren die Sicht. Zum Glück könnt ihr mit dem Mikrofon aber auch schon kleinste Schwingungen auffangen und findet so den Eingang zum alten Hotel.

screenshot sylvio stroboskop amusement park mikro

Im alten Hotel, oder viel mehr in dessen Katakomben, habt ihr dann auch den ersten paranormalen Kontakt. Ihr trefft auf Chelsea Bonney, oder besser gesagt auf ihren Geist, der noch immer in der Zwischenwelt gefangen ist. Auch für die eigentliche Kontaktaufnahme benötigt ihr Spürsinn und euer treues Mikrofon, denn die Geister in Sylvio fliegen nicht offen umher und versuchen, die Lebenden zu terrorisieren, sondern verstecken sich in unheimlichen Geräuschen, die ihr suchen und auffangen müsst. Ihr haltet also euer Mikrofon in die Luft und wandert umher, bis ihr Störgeräusche auffangt, die immer stärker werden, je näher ihr ihrem Ursprung kommt. Wenn ihr schließlich die Quelle gefunden habt, könnt ihr euch die Aufnahme mit eurem Tonbandgerät anhören.

screenshot sylvio stroboskop recorder

Hier kommt auch das interessanteste Element von Sylvio zum Tragen. Bevor ihr nämlich die Nachricht des Geistes verstehen könnt, müsst ihr sie entschlüsseln. Dazu müsst ihr die Aufnahme mit eurem Tonbandgerät in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und sowohl vorwärts als auch rückwärts abspielen. Auf diese Weise werden aus dem diffusen Lärm und Rauschen (ähnlich dem Radio in Silent Hill) schließlich Worte, die euch Hinweise auf das Schicksal des Geistes und euer nächstes Ziel geben. Neben den versteckten Nachrichten, gibt es auch noch Stellen, wo ihr eine Kerze entzünden und dem Geist in einer Art Séance Fragen stellt.

screenshot sylvio stroboskop ghost windmill

Doch nicht alle Geister wollen nur reden, einige haben es auch auf euch abgesehen. Diese aggressiven Gesellen sind die einzige Gefahr (selbst Stürze von Dächern sind kein Problem für Juliette) in Sylvio und kündigen sich ebenfalls durch ein stets gleiches Störgeräusch an, das immer stärker wird, je näher ihr dem Geist seid. So wirklich gruselig sind sie aber leider nicht, denn aus irgendeinem Grund hat sich der Entwickler dafür entschieden, sie einfach nur als schwebende schwarze Blase darzustellen. Nicht minder merkwürdig ist die Art, auf die ihr euch der tödlichen Blobs entledigen müsst. Ihr findet nämlich gleich zu Anfang eine Art Druckluft-Gewehr, mit dem ihr einfach nur ein paar spitze Objekte wie etwa Scherben oder Schrauben auf sie abfeuert. Da sie auf der Jagd nach euch problemlos durch Wände und Objekte aller Art gehen können und ihr auch beim Bedienen des Tonbandgerätes nicht vor ihnen sicher seid, haben sie aber wenigstens ein gewisses Überraschungsmoment. Das ändert allerdings nichts daran, dass sie innerhalb der Spielwelt oft wie ein Fremdkörper wirken und selbige nicht gerade glaubhafter erscheinen lassen. Das komplette Gegenteil sind die haushohen Geistertitanen, die als eine Art Zwischenboss fungieren und mächtig Eindruck machen, wenn man sie das erste Mal durch den dichten Nebel erblickt.

screenshot sylvio stroboskop ghost corridor

Wenn ihr nicht gerade Tonbänder hört, Geister sucht oder auf einen der Blobs schießt, dann löst ihr kleinere Puzzles und Aufgaben. Diese bestehen zumeist aus einer Kombination aus der Suche nach ein paar bestimmten Schlüsselobjekten und dem Einsatz eures Gewehrs. Mit letzterem könnt ihr nämlich nicht nur die Geister bekämpfen, sondern auch Hindernisse aus dem Weg räumen oder Mechanismen auslösen, wobei euch meist sogar große Zielscheiben (noch so eine merkwürdige Designentscheidung) darauf hinweisen. Auf diese Weise müsst ihr etwa ein Windrad reparieren und es dann mit ein paar gezielten Schüssen in Bewegung versetzen, um schließlich einen Generator anzuwerfen.

screenshot sylvio stroboskop shoot here

Die meisten dieser Aufgaben sind eher trivial und kein Vergleich zu echten First-Person-Puzzlern, aber Sylvio will ja auch ein Horror-Spiel sein. Als solches legt es also mehr Wert auf eine dichte und geheimnisvolle Atmosphäre, die hier ganz ohne die sonst so unverzichtbaren Klischees wie Monster, Gore und Jumpscares auskommt. Obwohl die Story eigentlich nie so richtig in Fahrt kommt, fühlt man sich doch von den Ruinen auf dem Saginaw Gelände und den paranormalen Bewohnern angezogen. Die Grafik wirkt mit ihren detailarmen Objekten und der zumeist recht einfachen Levelarchitektur zwar durchgehend so, als würde man gerade irgendeinen obskuren Low-Budget-Titel der PS2-Ära emulieren, aber der unheimlichen Stimmung schadet das nicht. Und wenn man mal wieder mit dem kleinen Auto zum nächsten Schauplatz fährt, während das Radio ein ruhiges Lied spielt und ein Rabe den Weg weist, dann ist dieser Makel fast vergessen.

screenshot sylvio stroboskop car

Die bescheidene Optik und so manche Designentscheidung lassen Sylvio zum Teil geradezu amateurhaft erscheinen, aber das Konzept mit den Tonbandaufnahmen ist so gelungen, dass man als Horror-Fan gern über die offensichtlichen Schwächen hinwegsieht.

Im Mai 2016 ist eine Remastered Version erschienen, die in Unity 5 läuft und als kostenloses Update zu haben ist. Diese neue Version werde ich bald unter die Lupe nehmen und den Test entsprechend ergänzen.

PS: Sylvio 2 ist bereits in Arbeit und ersetzt das Tonbandgerät durch Videoaufnahmen. Die dazugehörige Kickstarter-Kampagne ist jedoch leider gescheitert.

Entwickler/Publisher: Stroboskop | Genre: Horror / Adventure / 1st-Person
Plattform: Windows / Mac | Release: Juni 2015 | Pad Support: ja | Spielzeit: ca. 8 – 10h
Preis: ca. 13 € (mit Coupon) via Steam | Offizielle Website

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